Archi­tekten, die auf Basis von Entwürfen anderer Archi­tekten inter­ak­tive 3D-Welten und fotorea­lis­ti­sche Ansichten der jewei­ligen Objekte erstellen (sogenanntes Rende­ring), üben eine freibe­ruf­liche Tätig­keit aus. Zu den typischen Tätig­keiten eines freibe­ruf­li­chen Archi­tekten gehört auch die gestal­te­ri­sche, techni­sche und wirtschaft­liche Planung von Bauwerken. Da es sich bei den Archi­tek­tur­vi­sua­li­sie­rungen um typische Archi­tek­ten­tä­tig­keiten handelt, liegt keine gewerb­liche, sondern eine freibe­ruf­liche Tätig­keit vor.

Praxis-Beispiel:
Eine GbR aus zwei Personen, die beide Diplom­in­ge­nieure und Archi­tekten waren, erstellt auf Basis von Entwürfen anderer Archi­tekten inter­ak­tive 3D-Welten und fotorea­lis­ti­sche Ansichten der jewei­ligen Objekte. Es wurden also die Entwurfs­kon­zepte Dritter aufge­nommen, verstanden und mittels Compu­ter­grafik optimal in Szene gesetzt. Die Visua­li­sie­rung konnte dabei bereits in frühen Entwick­lungs­sta­dien einge­setzt werden, in denen der Archi­tek­ten­ent­wurf noch nicht vollständig ausent­wi­ckelt war. In dieser Phase kann es regel­mäßig auch zu einer Inter­ak­tion oder Rücksprache zwischen den fremden Archi­tekten auf der einen Seite und den Gesell­schaf­tern der GbR auf der anderen Seite kommen. Die Betriebs­prü­fung quali­fi­zierte die Einkünfte als gewerb­lich, weil die Voraus­set­zungen des sogenannten Katalog­be­rufs „Archi­tekt bzw. Ingenieur“ nicht erfüllt seien.

Das Finanzamt argumen­tiert wie folgt: Die Beauf­tra­gung eines Visua­li­sie­rungs­büros, das die Planung grafisch möglichst überzeu­gend darstellen und bildlich präsen­tieren soll, sei als verständ­li­ches Medi-um zu verstehen. Die grafi­sche Umset­zung und Überset­zung der techni­schen Zeich­nungen und Pläne unter­stützt den archi­tek­to­nisch regel­mäßig nicht vorge­bil­deten Bauherrn. Dabei gehe es regel­mäßig um die Darstel­lung der äußeren Wirkung des Bauwerks, insbe­son­dere seiner Fassade. So seien jeden­falls die Referenz­pro­jekte auf der Homepage der GbR zu verstehen. In der Sache liege daher der Schwer­punkt der Rende­ring-Tätig­keit darin, bereits erschaf­fene oder erdachte Entwürfe zu übernehmen und mittels hochwer­tiger Compu­ter­gra­fiken optisch anspre­chend darzu­stellen.

Das Finanz­ge­richt hat entschieden, dass das Finanzamt zu Unrecht davon ausge­gangen ist, dass die Kläger mit der GbR keine freibe­ruf­liche Tätig­keit ausübten, sondern gewerb­liche Einkünfte erzielten. Die Tätig­keit beider Kläger als einzige Gesell­schafter der GbR ist nach Überzeu­gung des Finanz­ge­richts als selbstän­dige Berufs­tä­tig­keit eines Archi­tekten anzusehen. Beide Kläger üben als studierte und einge­tra­gene Archi­tekten ihre Tätig­keit in einem Haupt­be­reich der Archi­tektur aus.

Das Visualisieren/​Rendern von Archi­tek­tur­pro­jekten gehört unstreitig zur typischen Archi­tek­ten­tä­tig­keit. Rende­ring ist inzwi­schen ein unerläss­li­cher Teil des Archi­tek­tur­stu­diums, wird regel­mäßig von Archi­tek­tur­büros im Rahmen der Objekt­pla­nung mitan­ge­boten und ist zudem explizit in der HOAI in Leistungs­phase 2 (Vorpla­nung) enthalten. Die Visua­li­sie­rungs­ar­beiten der Kläger sind, entgegen der Auffas­sung des Finanz­amts, auch als eigen­stän­dige gestal­te­ri­sche Planungs­leis­tungen anzusehen.

Quelle: Finanz­ge­richte | Urteil | 9 K 2291/17 | 20-04-2021