Das BVerfG hat die Verzin­sung von Steuer­nach­zah­lungen und Steuer­erstat­tungen dem Grunde nach als verfas­sungs­gemäß bestä­tigt. Es beanstan­dete jedoch, dass der Gesetz­geber es zumin­dest seit 2014 versäumt hat, den festen Zinssatz von 0,5% je vollem Zinsmonat (= 6% pro Jahr) anzupassen. Dieser Zinssatz darf zwar für Verzin­sungs­zeit­räume bis 31.12.2018 weiterhin angewandt werden. 

Aller­dings darf der Zinssatz von 0,5% je vollem Zinsmonat (= 6% pro Jahr) ab dem 1.1.2019 nicht mehr angewendet werden. Gerichte und Verwal­tungs­be­hörden dürfen diese Normen insoweit nicht mehr anwenden. Laufende Verfahren waren und sind auszu­setzen (= Anwen­dungs­verbot für Verzin­sungs­zeit­räume ab 1.1.2019). Der Gesetz­geber muss bis Ende Juli 2022 für alle offenen Fälle eine rückwir­kende verfas­sungs­ge­mäße Neure­ge­lung des Zinssatzes für Nachzah­lungs- und Erstat­tungs­zinsen für Verzin­sungs­zeit­räume ab 1.1.2019 treffen.

Nach dem vorlie­genden Gesetz­ent­wurf wird der Zinssatz für Verzin­sungs­zeit­räume ab dem 1.1.2019 rückwir­kend auf 0,15% pro Monat (= 1,8% pro Jahr) gesenkt und damit an die verfas­sungs­recht­li­chen Vorgaben angepasst. Künftig wird die Angemes­sen­heit dieses Zinssatzes alle drei Jahre mit Wirkung für nachfol­gende Verzin­sungs­zeit­räume überprüft, erstmals zum 1.1.2026. Dabei ist die Entwick­lung des Basis­zins­satzes nach § 247 BGB zu berück­sich­tigen.

Die Praxis hat gezeigt, dass die bislang einjäh­rige Festset­zungs­frist für Zinsen (Verjäh­rungs­frist) nicht immer ausreicht. In Anleh­nung an die Ablauf­hem­mungen der Festset­zungs­frist für Steuern wird diese Frist deshalb auf zwei Jahre verlän­gert. Die Neure­ge­lung gilt in allen Fällen, in denen die Festset­zungs­frist am Tag nach der Verkün­dung des Änderungs­ge­setzes noch nicht abgelaufen ist (Artikel 97 § 15 Absatz 15 EGAO). Die Neure­ge­lungen sind grund­sätz­lich in allen am Tag nach der Verkün­dung des Änderungs­ge­setzes anhän­gigen Verfahren anzuwenden (Artikel 97 § 15 Absatz 14 Satz 1 EGAO). Bei der Festset­zung von Erstat­tungs­zinsen in Änderungs­fällen (§ 233a Absatz 5 Satz 3 Halbsatz 2 AO) ist für die Minde­rung von Nachzah­lungs­zinsen der Zinssatz maßgeb­lich, der bei der ursprüng­li­chen Festset­zung der Nachzah­lungs­zinsen zugrunde gelegt wurde (Artikel 97 § 15 Absatz 14 Satz 2 EGAO).

Quelle: Sonstige | Gesetz­vor­haben | Entwurf eines 2. Gesetzes zur Änderung der Abgaben­ord­nung | 13-02-2022