Allein die tatsäch­liche Möglich­keit des Gesell­schaf­ters einer Kapital­ge­sell­schaft, ein betrieb­li­ches Wirtschaftsgut der Kapital­ge­sell­schaft (hier: eine Wohnim­mo­bilie) privat nutzen zu können (hier: zu eigenen Wohnzwe­cken), führt für sich genommen beim Gesell­schafter noch nicht zu einer verdeckten Gewinn­aus­schüt­tung. Eine verdeckte Gewinn­aus­schüt­tung kann aller­dings anzunehmen sein, wenn die Gesell­schaft ihrem Gesell­schafter ein betrieb­li­ches Wirtschaftsgut unent­gelt­lich oder verbil­ligt auch zur privaten Nutzung überlassen hat (= Zuwen­dung).

Praxis-Beispiel:
Die Kläger sind Eheleute, die zusammen veran­lagt werden. Bis 2007 lebten sie mit ihren Kindern in Spanien. Die Immobilie bestand aus drei Teilen. Ein Teil stand im Eigentum des Klägers. Die beiden anderen Teile gehörten jeweils zwei spani­schen Kapital­ge­sell­schaften in der Rechts­form der Sociedad de responsa­bil­idad limitada (S.L.). An diesen Gesell­schaften waren die Kläger jeweils zur Hälfte betei­ligt. Die Kläger zahlten an die beiden Kapital­ge­sell­schaften jeweils eine Miete in Höhe von monat­lich 1.000 €. Im Jahr 2007 verlegten die Kläger ihren Wohnsitz nach Deutsch­land und stellten die Mietzah­lungen ein. In welchem Umfang und aus welchen Gründen die Kläger die Immobilie danach selbst nutzten, ist zwischen den Betei­ligten streitig.

Die Kläger haben gelegent­liche Besuche von wenigen Tagen einge­räumt (circa zwei Mal pro Quartal), die dazu gedient hätten, die seit ihrem Umzug nach Deutsch­land zum Verkauf stehende Immobilie für Besich­ti­gungen vorzu­be­reiten und den Zustand zu überwa­chen. Dafür haben die Kläger im Wesent­li­chen einen Makler­ver­trag aus dem Jahr 2008, zwei E-Mails des Makler­un­ter­neh­mens aus 2008 und 2013 sowie drei Flugti­ckets über Aufent­halte vom 29.7. bis 1.8.2009, vom 8.3. bis 11.3.2010 und vom 27.5. bis 29.5.2013 vorge­legt. Im Jahr 2013 veräu­ßerten die Kläger die Immobilie. Soweit sie im Eigentum der spani­schen Kapital­ge­sell­schaften stand, veräu­ßerten die Kläger die Gesell­schafts­an­teile.

Da das Besteue­rungs­recht nach dem Doppel­be­steue­rungs­ab­kommen mit Spanien Deutsch­land zusteht, rechnete das Finanzamt in den Einkom­men­steu­er­be­scheiden der Kläger eine verdeckte Gewinn­aus­schüt­tung in Höhe einer markt­üb­li­chen Miete von jeweils 42.000 € (3.500 € x 12 Monate) hinzu. Auf den dagegen erhobenen Einspruch des Klägers wies das Finanzamt den Einspruch des Klägers als unbegründet zurück. Das Finanz­ge­richt hat der Klage des Klägers teilweise statt­ge­geben. Das Finanzamt habe zwar zu Recht eine verdeckte Gewinn­aus­schüt­tung in der veran­lagten Höhe angesetzt, sie jedoch zu Unrecht dem geson­derten Tarif unter­worfen.

Der BFH hat entschieden, dass die Revision des Klägers begründet ist. Sie führt zur Zurück­ver­wei­sung der Sache an das Finanz­ge­richt zur ander­wei­tigen Verhand­lung. Das Finanz­ge­richt ist zu Unrecht davon ausge­gangen, dass allein die tatsäch­liche Möglich­keit, die im Eigentum der spani­schen Kapital­ge­sell­schaften stehende Immobilie jeder­zeit auch privat nutzen zu können, für die Annahme einer verdeckten Gewinn­aus­schüt­tung reicht. Auf der Grund­lage der tatsäch­li­chen Feststel­lungen, die das Finanz­ge­richt bisher getrof­fenen hat, kann der BFH nicht abschlie­ßend beurteilen, ob eine verdeckte Gewinn­aus­schüt­tung tatsäch­lich vorliegt und wie sie gegebe­nen­falls zu bewerten wäre.

Rechts­feh­ler­haft ist das Finanz­ge­richt davon ausge­gangen, dass allein die Möglich­keit, die im Eigentum der spani­schen Kapital­ge­sell­schaften stehende Immobilie jeder­zeit privat nutzen zu können, für die Annahme einer verdeckten Gewinn­aus­schüt­tung ausreicht. Diese Annahme scheidet mangels ander­wei­tiger tatsäch­li­cher Feststel­lungen aus. 

Fazit: Die Recht­spre­chung des BFH knüpft an einen tatsäch­li­chen Nutzungs­vor­teil an. Andern­falls müssten Kapital­ge­sell­schaften vorsorg­lich Nutzungs­ver­bote gegen­über ihren Gesell­schaf­tern ausspre­chen, um eine verdeckte Gewinn­aus­schüt­tung zu vermeiden. Einem Nutzungs­verbot eines Gesell­schafter-Geschäfts­füh­rers gegen sich selbst käme aller­dings nur ein geringer Beweis­wert zu.

Quelle:BFH | Urteil | VIII R 4/21 | 30-09-2024