Der BFH hat entschieden, wann die Leistung eines Arztes von der Umsatz­steuer befreit sind, der bei Patienten mit Haaraus­fall Haarwur­zel­trans­plan­ta­tionen vornimmt. Dabei muss festge­stellt werden, ob solche Behand­lungen als thera­peu­ti­sche Behand­lungen im Sinne des Umsatz­steu­er­ge­setzes angesehen werden können.

Praxis-Beispiel:
Der Kläger ist ein nieder­ge­las­sener Facharzt für Chirurgie, der eine Praxis betreibt, die sich auf die Behand­lung von Haaraus­fall spezia­li­siert hat. Seine ärztliche Tätig­keit besteht darin, die Patienten zunächst dahin­ge­hend zu unter­su­chen, welche Erschei­nungs­form des Haaraus­falls vorliegt. Bei andro­ge­ne­ti­scher, heredi­tärer und vernar­bender Alopezie beiderlei Geschlechts nimmt er anschlie­ßend Trans­plan­ta­tionen patien­ten­ei­gener Haarwur­zeln vor.

Der Kläger erklärte in seinen abgege­benen Umsatz­steu­er­erklä­rungen, die Steuer­fest­set­zungen unter dem Vorbe­halt der Nachprü­fung standen, 90 % seiner Umsätze als steuer­frei, weil es sich um Heilbe­hand­lungen im Bereich der Human­me­dizin handle, die er in Ausübung seiner Tätig­keit als Arzt durch­ge­führt habe. Nach einer Außen­prü­fung nahm der Prüfer an, dass die vom Kläger in den Streit­jahren erbrachten Haarver­pflan­zungen nur insoweit steuer­frei seien, als sie auf Patienten mit narbigem Haaraus­fall entfielen. Nur insoweit sei eine Krank­heit ersicht­lich. Die übrigen Umsätze seien hingegen steuer­pflichtig, weil insoweit keine ärztliche Heilbe­hand­lung gegeben sei. Dem folgte das Finanzamt in den Umsatz­steu­er­be­scheiden für 2010, 2011 und 2012 und erhöhte die Umsatz­steuer entspre­chend.

Der BFH entschied, dass ein thera­peu­ti­scher Zweck auch dann vorliegen kann, wenn die Haarwur­zel­trans­plan­ta­tion nicht die Ursachen des Haaraus­falls bekämpft, sondern ledig­lich die Folgen besei­tigt. Bei vernar­bendem Haaraus­fall wird immer angenommen, dass ein behand­lungs­be­dürf­tiger Zustand vorliegt. Für andere Haaraus­fälle reichen allge­meine Erklä­rungen des behan­delnden Arztes nicht aus. Hier ist eine quali­fi­zierte ärztliche Dokumen­ta­tion bzw. Beschei­ni­gung erfor­der­lich, um die Steuer­be­freiung zu recht­fer­tigen.

Der BFH hat das Urteil des Finanz­ge­richts Düssel­dorf aufge­hoben und die Sache zur weiteren Verhand­lung zurück­ver­wiesen. Das Finanz­ge­richt muss nun prüfen, inwie­weit die verschie­denen Formen des Haaraus­falls als behand­lungs­be­dürf­tige Zustände angesehen werden können. Dabei muss festge­stellt werden, ob der Haaraus­fall Krank­heits­wert hat, objektiv entstel­lend wirkt oder zu Folge­er­kran­kungen führt. Dies muss in jedem Einzel­fall mit detail­lierter medizi­ni­scher Dokumen­ta­tion nachge­wiesen werden.

Quelle:BFH | Urteil | XI R 17/21 | 24-09-2024