Ein Erbe verliert nicht die Erbschaft­steu­er­be­freiung für ein Famili­en­heim, wenn die eigene Nutzung des Famili­en­heims aus gesund­heit­li­chen Gründen unmög­lich oder unzumutbar ist.

Praxis-Beispiel:
Die Klägerin hatte das Einfa­mi­li­en­haus, das sie von ihrem Vater geerbt hatte, zunächst selbst bewohnt. Sie war aber bereits nach sieben Jahren ausge­zogen. Im Anschluss wurde das Haus abgerissen. Die Klägerin machte gegen­über dem Finanzamt und dem Finanz­ge­richt erfolglos geltend, sie habe sich angesichts ihres Gesund­heits­zu­stands kaum noch in dem Haus bewegen und deshalb ohne fremde Hilfe dort nicht mehr leben können. Das Finanz­ge­richt war der Ansicht, dass dies kein zwingender Grund gewesen sei, aus dem Einfa­mi­li­en­haus auszu­ziehen, da die Klägerin fremde Hilfe hätte in Anspruch nehmen können.

Der BFH hat das Urteil aufge­hoben und an das Finanz­ge­richt zurück­ver­wiesen. Grund­sätz­lich setzt die Steuer­be­freiung von der Erbschaft­steuer voraus, dass der Erbe das geerbte Famili­en­heim über einen Zeitraum von zehn Jahre selbst nutzt, es sei denn, er ist aus „zwingenden Gründen“ daran gehin­dert (§ 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG). Nach Auffas­sung des BFH ist als zwingender Grund nicht nur die Unmög­lich­keit, sondern auch die Unzumut­bar­keit der Selbst­nut­zung des Famili­en­heims zu berück­sich­tigen.

Reine Zweck­mä­ßig­keits­er­wä­gungen, wie etwa die Unwirt­schaft­lich­keit einer Sanie­rung, reichen nicht aus. Anders ist es jedoch, wenn der Erbe aus gesund­heit­li­chen Gründen für eine weitere Nutzung des Famili­en­heims auf eine erheb­liche Unter­stüt­zung angewiesen ist, sodass nicht mehr von einer selbstän­digen Haushalts­füh­rung zu sprechen sei. Fazit: Das FG hat unter Mitwir­kung der Klägerin das Ausmaß ihrer gesund­heit­li­chen Beein­träch­ti­gungen zu prüfen.

Quelle: BFH | Urteil | II R 18/20 | 30-11-2021