Die Art und Weise, in der ein Steuer­pflich­tiger, der seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermit­telt, seine Aufzeich­nungen geführt hat, ist eine Tatsache, die (wenn sie dem Finanzamt nachträg­lich bekannt werden) zur Korrektur eines bestands­kräf­tigen Einkom­men­steu­er­be­scheids führen kann.

Praxis-Beispiel:
Der Kläger war als Einzel­händler tätig und ermit­telte seinen Gewinn im Wege der Einnahmen-Überschuss-Rechnung. Das Finanzamt veran­lagte ihn zunächst ohne Vorbe­halt der Nachprü­fung. Bei einer späteren Außen­prü­fung beanstan­dete das Finanzamt die Aufzeich­nungen des Klägers als formell mangel­haft und führte eine Hinzu­schät­zung durch. Das Finanzamt änderte die bestands­kräf­tigen Einkom­men­steu­er­be­scheide. Dies sei auch verfah­rens­recht­lich zulässig, da im Rahmen der Außen­prü­fung nachträg­lich steuer­erhö­hende Tatsa­chen bekannt geworden seien (§ 173 Abs. 1 Nr. 1 AO).

Der BFH hat dies bestä­tigt, weil § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO eine Änderung bestands­kräf­tiger Steuer­be­scheide nicht nur dann zulasse, wenn sicher feststeht, dass der Steuer­pflich­tige Betriebs­ein­nahmen nicht aufge­zeichnet hat. Auch die Art und Weise, in der der Steuer­pflich­tige seine Aufzeich­nungen geführt hat, sei eine Tatsache. Dies gelte für Aufzeich­nungen über den Waren­ein­gang ebenso wie für sonstige Aufzeich­nungen oder die übrige Beleg­samm­lung eines Steuer­pflich­tigen, der seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermittle, die keine Verpflich­tung zur förmli­chen Aufzeich­nung der Betriebs­ein­nahmen und Betriebs­aus­gaben vorsehe.

Darüber, ob eine Änderung der bestands­kräf­tigen Steuer­be­scheide zulässig war, konnte der BFH aller­dings mangels hinrei­chender Feststel­lungen nicht abschlie­ßend entscheiden. Die Tatsache, ob und wie der Steuer­pflich­tige seine Barein­nahmen aufge­zeichnet habe, ist rechts­er­heb­lich, wenn das Finanzamt bereits im Zeitpunkt der Veran­la­gung zur Schät­zung befugt gewesen wäre und deswegen eine höhere Steuer festge­setzt hätte. Da eine Schät­zungs­be­fugnis des Finanz­amts in bestimmten Fällen auch bei (ledig­lich) formellen Mängeln der Aufzeich­nungen über Barein­nahmen besteht, muss das Finanz­ge­richt im zweiten Rechts­gang prüfen, ob die Unter­lagen des Klägers Mängel aufwiesen, die zur Hinzu­schät­zung von Betriebs­ein­nahmen führen.

Quelle: BFH | Urteil | III R 14/22 | 05-05-2024