Der Gewinn aus dem Verkauf einer Immobilie ist steuer­pflichtig, wenn er inner­halb von 10 Jahren nach dem Erwerb erfolgt. Bei selbst­ge­nutztem Wohnei­gentum ist der Veräu­ße­rungs­ge­winn aller­dings steuer­frei, wenn die Immobilie

  • im Zeitraum zwischen Anschaf­fung oder Fertig­stel­lung und Veräu­ße­rung ausschließ­lich zu eigenen Wohnzwe­cken oder
  • im Jahr der Veräu­ße­rung und in den beiden voran­ge­gan­genen Jahren zu eigenen Wohnzwe­cken genutzt wurde (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG). 

Der BFH hat (anders als das Nieder­säch­si­sche Finanz­ge­richt) entschieden, dass der Gewinn aus dem Verkauf einer selbst­ge­nutzten Wohnung teilweise steuer­pflichtig ist, auch wenn nur einzelne Räume des Gebäudes ledig­lich an einzelnen Tagen vermietet wurden.

Praxis-Beispiel:
Die Kläger sind verhei­ratet und schlossen 2011 einen Kaufver­trag über ein Reihen­haus (ca. 150 qm Wohnfläche)ab, das sie zu einem Kaufpreis von 141.000 € erwarben. In den Jahren 2012 bis 2017 vermie­teten sie einzelne Zimmer im Dachge­schoss des Hauses tageweise an Messe­gäste und erzielten daraus Einkünfte aus Vermie­tung und Verpach­tung. Mit notari­ellem Vertrag vom 16.11.2017 verkauften die Kläger die Immobilie zu einem Kaufpreis von 294.500€. Das Finanzamt ging hinsicht­lich der zeitweise vermie­teten Räume im Dachge­schoss von einem privaten Veräu­ße­rungs­ge­schäft aus. Einzu­be­ziehen sei das gesamte Dachge­schoss (2 Zimmer zur Allein­nut­zung sowie Flur und Bad zur Mitnut­zung), weil diese zeitweise vermietet worden sind.

Der BFH hat den Ausdruck "Nutzung zu eigenen Wohnzwe­cken" entspre­chend dem Zweck, die Besteue­rung eines Veräu­ße­rungs­ge­winns bei Aufgabe eines Wohnsitzes zu vermeiden, stets sehr weit gefasst und eigen­ständig ausge­legt. Ausrei­chend ist, dass der Steuer­pflich­tige das Gebäude zumin­dest auch selbst bewohnt. Unschäd­lich ist, wenn er es gemeinsam mit seinen Famili­en­an­ge­hö­rigen oder einem Dritten bewohnt. Ein Gebäude wird auch dann zu eigenen Wohnzwe­cken genutzt, wenn es der Steuer­pflich­tige nur zeitweilig bewohnt, sofern es ihm in der übrigen Zeit als Wohnung zur Verfü­gung steht. Erfasst sind daher auch Zweit­woh­nungen, nicht zur Vermie­tung bestimmte Ferien­woh­nungen und Wohnungen, die im Rahmen einer doppelten Haushalts­füh­rung genutzt werden. Ist die Nutzung auf Dauer angelegt, kommt es nicht darauf an, ob der Steuer­pflich­tige noch eine (oder mehrere) weitere Wohnung(en) hat und wie oft er sich darin aufhält. Auch eine gering­fü­gige Nutzung zu eigenen Wohnzwe­cken reicht aus. Auch ein häusli­ches Arbeits­zimmer wird zu eigenen Wohnzwe­cken genutzt. Eine Nutzung zu "eigenen“ Wohnzwe­cken liegt jedoch nicht vor, wenn der Steuer­pflich­tige die Wohnung entgelt­lich oder unent­gelt­lich an einen Dritten überlässt, ohne sie zugleich selbst zu bewohnen bzw. bewohnen zu können.

Konse­quenz: Die vorüber­ge­hende Vermie­tung einzelner Zimmer einer Wohnung schließt die "Nutzung zu eigenen Wohnzwe­cken" aus, weil der Mieter die vermie­teten Räume unter Ausschluss des Vermie­ters nutzt. Mit der vertrag­li­chen Verpflich­tung, die Räume dem Mieter zur ausschließ­li­chen Nutzung vorüber­ge­hend zu überlassen, schließt der Vermieter der Möglich­keit aus, die Räume (auch) selbst zu nutzen, d.h., eine Nutzung zu eigenen Wohnzwe­cken ist insoweit ausge­schlossen. Eine räumliche oder zeitliche Bagatell­grenze für eine unschäd­liche Vermie­tung an Dritte sieht das Gesetz nicht vor.

Nur insoweit, als das Merkmal "Nutzung zu eigenen Wohnzwe­cken“ ausge­schlossen ist, liegt ein steuer­bares Veräu­ße­rungs­ge­schäft vor. Unschäd­lich ist hingegen die Überlas­sung von Bad und Flur zur Mitbe­nut­zung durch die Mieter, weil hier die Nutzung zu eigenen Wohnzwe­cken nicht ausge­schlossen ist. Bei Flur und Badezimmer, die in die häusliche Sphäre des Steuer­pflich­tigen einge­bunden sind, bleibt jeden­falls eine gering­fü­gige Nutzung zu eigenen Wohnzwe­cken auch während der Zeit der Vermie­tung bestehen. 

Das Finanz­ge­richt hat nunmehr den steuer­pflich­tigen Teil des Veräu­ße­rungs­ge­winns zu ermit­teln. Dazu muss es den Anteil der Wohnfläche (zwei Räume im Dachge­schoss) ermit­teln, die zur Allein­nut­zung überlassen wurden, und diesen ins Verhältnis zur Gesamt­wohn­fläche setzen.

Quelle: BFH | Urteil | IX R 20/21 | 18-07-2022