Gegen die Höhe der Säumnis­zu­schläge bestehen insoweit erheb­liche verfas­sungs­recht­liche Bedenken, als den Säumnis­zu­schlägen nicht die Funktion eines Druck­mit­tels zukommt, sondern die Funktion einer Gegen­leis­tung oder eines Ausgleichs für das Hinaus­schieben der Zahlung von fälligen Steuern (= zinsähn­liche Funktion).

Praxis-Beispiel:
Das Finanzamt erließ am 10.03.2020 einen (geänderten) Abrech­nungs­be­scheid, der zulasten des Antrag­stel­lers neben weiteren Steuer­for­de­rungen auch Säumnis­zu­schläge zur Umsatz­steuer auswies. Die in dem Abrech­nungs­be­scheid aufge­führten Forde­rungen wurden durch Aufrech­nung vollständig begli­chen. Der Antrag­steller legte gegen den Abrech­nungs­be­scheid Einspruch ein und machte geltend, dass die darin aufge­führten Säumnis­zu­schläge ihrer Höhe nach teilweise verfas­sungs­widrig seien. Die Säumnis­zu­schläge wiesen auch einen Zinscha­rakter auf. Soweit in den Säumnis­zu­schlägen ein Zinsan­teil enthalten sei, werde dieser von den verfas­sungs­recht­li­chen Zweifeln des BFH zur Höhe des gesetz­lich vorge­ge­benen Zinssatzes von 6% erfasst. Insoweit sei ihm daher Aufhe­bung der Vollzie­hung (AdV) der hälftigen Säumnis­zu­schläge zu gewähren.

Der BFH hat wieder­holt entschieden, dass gegen die Höhe der Nachzah­lungs­zinsen in Höhe von 0,5% pro Monat (§ 233a, § 238 Abs. 1 Satz 1 AO) erheb­liche verfas­sungs­recht­liche Bedenken bestehen, die eine Ausset­zung der Vollzie­hung recht­fer­tigen. Auf Antrag kann das Gericht die Vollzie­hung ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernst­liche Zweifel an der Recht­mä­ßig­keit des angefoch­tenen Verwal­tungs­akts bestehen. Ist der Verwal­tungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Ausset­zung der Vollzie­hung die Aufhe­bung der Vollzie­hung.

Dies gilt auch für den Teil der Säumnis­zu­schläge, dem nicht die Funktion eines Druck­mit­tels zukommt. Soweit die Säumnis­zu­schläge die Funktion einer Gegen­leis­tung oder eines Ausgleichs für das Hinaus­schieben der Zahlung fälliger Steuern haben, besteht eine zinsähn­liche Funktion. Der BFH hat bereits festge­stellt, dass unter Berück­sich­ti­gung seiner Recht­spre­chung auch Zweifel an der Verfas­sungs­mä­ßig­keit der gesetz­lich festge­legten Höhe der Säumnis­zu­schläge (§ 240 Abs. 1 Satz 1 AO) bestehen. 

Ob und inwie­weit der weitere Zweck, den Verwal­tungs­auf­wand auszu­glei­chen, hier ebenfalls zu berück­sich­tigen ist, ist bislang nicht entschieden. Vor diesem Hinter­grund war die Vollzie­hung des angefoch­tenen Abrech­nungs­be­scheids hinsicht­lich der Säumnis­zu­schläge in der beantragten hälftigen Höhe aufzu­heben.

Hinweis: Bisher vertritt die Finanz­ver­wal­tung die Auffas­sung, dass nach der Entschei­dung des BVerfG nur die Höhe der Nachzah­lungs­zinsen verfas­sungs­widrig sei. Dieser Beschluss des BFH legt jedoch nahe, dass die Höhe der steuer­li­chen Zinsen bzw. Zinssätze insge­samt zumin­dest einer Überprü­fung zu unter­zeihen sind. Wie der Gesetz­geber die notwen­digen Geset­zes­än­de­rungen umsetzen wird, ist zurzeit noch nicht absehbar. Es ist daher sinnvoll, entspre­chende Festset­zungen vorerst nicht bestands­kräftig werden zu lassen.

Quelle: BFH | Beschluss | VII B 13/21 (AdV) | 25-05-2021