Im Rahmen des Realsplit­tings ist der Zeitpunkt, zu dem der Antrag auf Berück­sich­ti­gung der Unter­halts­leis­tungen durch den Geber samt Einrei­chung der Zustim­mungs­er­klä­rung des Empfän­gers beim Finanzamt eingeht, das Ereignis, das zur Änderung der Einkom­men­steu­er­fest­set­zung des Empfän­gers der Unter­halts­leis­tung führt. Es kommt nicht darauf an, ob und wann die Leistungen vom Finanzamt als Sonder­aus­gaben beim Geber tatsäch­lich anerkannt werden. 

Praxis-Beispiel:
Die Klägerin ist seit dem 20.9.2007 von ihrem Ehemann geschieden. An diesem Tag schlossen die Klägerin und ihr Ehemann vor dem Famili­en­ge­richt einen Vergleich über die Schei­dungs­folgen. Darin verpflich­tete sich der Ehemann, der Klägerin einen Abgel­tungs­be­trag von 10.000 € zu zahlen. Am 17.7.2008 reichte die Klägerin ihre Einkom­men­steu­er­erklä­rung für das Jahr 2007 beim Finanzamt ein. Einnahmen aus Unter­halts­leis­tungen im Rahmen des Realsplit­tings gab sie nicht an. Sie wurde mit Bescheid vom 25.9.2008 erklä­rungs­gemäß veran­lagt.

Der Ehemann reichte die Anlage U zur Einkom­men­steu­er­erklä­rung, die auch die Zustim­mung der Klägerin zum Antrag auf Abzug von Unter­halts­leis­tungen als Sonder­aus­gaben enthielt, am 12.2.2010 beim Finanzamt ein. Es war zunächst zwischen dem Ehemann und dem Finanzamt umstritten, ob die Zahlung des Abgel­tungs­be­trags von 10.000 € als Sonder­aus­gaben bei ihm zu berück­sich­tigen sei. Mit Änderungs­be­scheid vom 15.9.2015 erkannte das Finanzamt diese Zahlung letzt­end­lich als abzieh­bare Unter­halts­leis­tung des Ehemanns an. Anschlie­ßend änderte das Finanzamt mit Bescheid vom 26.11.2015 die Einkom­men­steu­er­fest­set­zung der Klägerin für das Streit­jahr 2007 gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO (= wegen eines rückwir­kenden Ereig­nisses) und versteu­erte die Zahlung als Unter­halts­leis­tung. Einspruch und Klage der Klägerin, die sowohl auf eine Feststel­lung der Nichtig­keit als auch auf die Aufhe­bung dieses Bescheids gerichtet waren, blieben erfolglos.

Bereits der Antrag des Gebers (hier: des Ehemanns) und die Zustim­mung des Empfän­gers (hier der Ehefrau) sind rechts­ge­stal­tend. Sie überführen die Unter­halts­leis­tungen in den steuer­recht­lich relevanten Bereich, sodass die Zahlungen ihren Rechts­cha­rakter ändern. Daher hat der BFH entschieden, dass für den Ansatz von Unter­halts­leis­tungen als sonstige Einkünfte allein die Einrei­chung der Anlage U nebst Zustim­mungs­er­klä­rung des Empfän­gers beim Finanzamt des Gebers maßge­bend ist, wenn es um Zeitpunkt geht, zu dem das „rückwir­kende“ Ereignis einge­treten ist. Auf die spätere Anerken­nung der Unter­halts­leis­tungen als Sonder­aus­gaben im Änderungs­be­scheid des Ehemanns vom 15.9.2015 kommt es nicht an.

Eine Änderung der Einkom­men­steu­er­fest­set­zung der Klägerin für 2007 im Jahr 2015 scheidet aufgrund der zu diesem Zeitpunkt bereits einge­tre­tenen Festset­zungs­ver­jäh­rung aus. Die vierjäh­rige reguläre Festset­zungs­frist endete bereits mit Ablauf des Jahres 2012, da die Klägerin ihre Einkom­men­steu­er­erklä­rung im Jahr 2008 abgegeben hatte. Dabei kann offen­bleiben, ob die Klägerin zur Abgabe einer Einkom­men­steu­er­erklä­rung verpflichtet war, da sich ohne eine solche Verpflich­tung ein noch früheres Ende der regulären Festset­zungs­frist ergeben hätte.

Gemäß § 175 Abs. 1 Satz 2 AO begann die vierjäh­rige Festset­zungs­frist (aufgrund des im Jahr 2010 einge­tre­tenen rückwir­kenden Ereig­nisses) mit Ablauf des Jahres 2010 zu laufen und endete mit Ablauf des Kalen­der­jahres 2014. Der erst am 26.11.2015 erlas­sene Änderungs­be­scheid ist infol­ge­dessen außer­halb dieser Festset­zungs­frist ergangen und damit verjährt.

Quelle: BFH | Urteil | X R 15/19 | 27-07-2021