Die Anfor­de­rungen an ein ordnungs­ge­mäßes Fahrten­buch dürfen nicht überspannt werden. Ansonsten wird aus der wider­leg­baren 1%-Regelung in der Praxis eine unwider­leg­bare Typisie­rung. Kleinere Mängel und Ungenau­ig­keiten müssen hinge­nommen werden, weil ansonsten eine Übermaß­be­steue­rung droht, die aus verfas­sungs­recht­li­chen Gründen nicht zu recht­fer­tigen ist.

Praxis-Beispiel:
Der Gesell­schafter-Geschäfts­führer einer GmbH durfte im Rahmen des Arbeits­ver­hält­nisses einen Firmen-Pkw auch für private Zwecke nutzen. Hierfür versteu­erte er einen geldwerten Vorteil. Den Anteil der privaten Nutzung berech­nete er aufgrund von Fahrten­bü­chern. Laut den vorge­legten Fahrten­bü­chern ergab sich ein Anteil für Privat­fahrten in Höhe von 5,28% (2014), 4% (2015) bzw. 6% (2016). Bei einer Lohnsteu­er­au­ßen­prü­fung überprüfte der Prüfer die Fahrten­bü­cher und versagte deren Anerken­nung. In den vorge­legten Fahrten­bü­chern seien als Reise­ziele ledig­lich Ortsnamen bzw. Abkür­zungen der Ortsnamen angegeben. Ergän­zungs­blätter hätten den Fahrten­bü­chern zum Zeitpunkt der Außen­prü­fung nicht beigelegen. Der Prüfer wandte daraufhin bei der Berech­nung des geldwerten Vorteils die sogenannte 1%-Regelung an.

Der Begriff des ordnungs­ge­mäßen Fahrten­buchs ist gesetz­lich nicht näher bestimmt. Aus dem Sinn und Zweck der Regelung folgt, dass die dem Nachweis des zu versteu­ernden Privat­an­teils an der Gesamt­fahr­leis­tung dienenden Aufzeich­nungen eine hinrei­chende Gewähr für ihre Vollstän­dig­keit und Richtig­keit bieten und mit vertret­barem Aufwand auf ihre materi­elle Richtig­keit hin überprüfbar sein müssen. Dazu gehört auch, dass das Fahrten­buch zeitnah und in geschlos­sener Form geführt worden ist, um so nachträg­liche Einfü­gungen oder Änderungen auszu­schließen oder als solche erkennbar zu machen.

Unter diesem Aspekt hat das Finanz­ge­richt entschieden, dass die Fahrten­bü­cher zwar mit kleineren Mängeln behaftet, aber in der Gesamt­be­wer­tung noch als ordnungs­gemäß anzusehen sind. Die Verwen­dung von 

  • Abkür­zungen für Kunden und Ortsan­gaben,
  • fehlende Ortsan­gaben bei Übernach­tungen im Hotel,
  • Diffe­renzen aus dem Vergleich zwischen den Kilome­ter­an­gaben im Fahrten­buch und dem Routen­planer,
  • keine Aufzeich­nung von Tankstopps 

führen nicht zur Verwer­fung des Fahrten­buchs und zur Anwen­dung der 1%-Regelung, wenn die Angaben insge­samt plausibel sind. Maßgeb­lich ist, ob trotz der Mängel eine hinrei­chende Gewähr für die Vollstän­dig­keit und Richtig­keit der Angaben gegeben und der Nachweis des zu versteu­ernden Privat­an­teils an der Gesamt­fahr­leis­tung des Dienst­wa­gens möglich ist.

Im Streit­fall sind die Adressen der aufge­suchten Kunden unschwer den zu den Fahrten­bü­chern geführten Kunden­listen zu entnehmen. Hinzu kommt, dass es sich um häufig besuchte Kunden handelt. Diese Kunden­liste wurde fortlau­fend geführt und ermög­lichte ohne großen Aufwand und weitere Erläu­te­rungen eine genaue Überprü­fung der aufge­zeich­neten Kilometer. Für eine vom Finanzamt vermu­tete Nacher­stel­lung der Kunden­liste hat das Finanz­ge­richt keine Anhalts­punkte gesehen. Der GmbH-Geschäfts­führer konnte außerdem glaub­haft erläu­tern, warum diese Kunden­liste dem Lohnsteu­er­au­ßen­prüfer nicht vorge­legen hat. Es ist dem Kläger nicht vorzu­werfen, wenn der Prüfer ohne seine Kenntnis die Überprü­fung nur anhand der beim Lohnkonto hinter­legten Kopien der Fahrten­bü­cher vornimmt. Die Kunden- und Adress­liste muss nur als Ergän­zung der Original-Fahrten­bü­cher vorliegen.

Quelle: Finanz­ge­richte | Urteil | FG Nieder­sachsen, 9 K 276/19 | 15-06-2021