Ein Augen­arzt, der seine Patienten medizi­nisch betreut und versorgt, ist freibe­ruf­lich tätig. Das Anpassen von Kontakt­linsen nach einer augen­ärzt­li­chen Unter­su­chung, gehört (noch) zur freibe­ruf­li­chen Tätig­keit. Er ist freibe­ruf­lich tätig, solange sich die Tätig­keit des Arztes auf die medizi­ni­sche Versor­gung beschränkt. Anders sieht es aus, wenn der Augen­arzt selbst Kontakt­linsen, Arzneien und Hilfs­mit­teln entgelt­lich an Patienten abgibt. Es liegt insoweit eine gewerb­liche Tätig­keit vor, mit der Konse­quenz, sodass seine Einnahmen hieraus gewerb­lich sind. 

Der entgelt­liche Verkauf von Kontakt­linsen, Arzneien und Hilfs­mit­teln an Patienten sind anders zu beurteilen. Insoweit wird keine heilkund­liche Tätig­keit ausgeübt. Denn der An- und Verkauf von Waren ist grund­sätz­lich der freibe­ruf­li­chen Tätig­keit wesens­fremd, sodass dies zur Gewerb­lich­keit führt. Bei einem Augen­arzt liegt in solchen Fällen eine gemischte Tätig­keit vor, bei der

  • der Gewinn aus dem Verkauf von Kontakt­linsen und Pflege­mit­teln gewerb­liche Einkünfte darstellen, und
  • die augen­ärzt­liche Tätig­keit zu freibe­ruf­li­chen Einkünften führt. 

Bei einer gemischten freibe­ruf­li­chen und gewerb­li­chen Tätig­keit ist grund­sätz­lich eine einheit­liche Beurtei­lung nicht möglich, wenn sich (wie hier) die einzelnen Tätig­keiten nicht gegen­seitig bedingen und derart mitein­ander verflochten sind, dass sie nach der Verkaufs­auf­fas­sung als Einheit anzusehen sind. Bei einheit­li­chen Entgelten für ärztliche und gewerb­liche Tätig­keiten muss eine Auftei­lung vorge­nommen werden, ggf. im Schät­zungs­wege.

Augen­ärzt­liche Gemein­schafts­praxis: Erzielt eine ärztliche Berufs­aus­übungs­ge­mein­schaft (Gemein­schafts­praxis) auch Einnahmen aus einer gewerb­li­chen Tätig­keit, z. B. aus dem Verkauf von Kontakt­linsen nebst Pflege­mit­teln, von Mundhy­gie­ne­ar­ti­keln oder von Massa­geöl, gelten die Einkünfte der ärztli­chen Gemein­schafts­praxis in vollem Umfang als Einkünfte aus Gewer­be­be­trieb (= Abfär­be­re­ge­lung gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG).

Konse­quenz: Es ist gesetz­lich eindeutig geregelt, dass der Verkauf von Kontakt­linsen und Pflege­mit­teln durch eine ärztliche Gemein­schafts­praxis dazu führt, dass alle Einkünfte – also auch die aus der ärztli­chen Tätig­keit – als Einnahmen aus Gewer­be­be­trieb zu behan­deln sind. Das gilt auch dann, wenn der Verkauf um Selbst­kos­ten­preis erfolgen sollte und somit mangels Gewinn­erzie­lungs­ab­sicht insoweit keine einkom­men­steu­er­lich relevante Betäti­gung vorliegt. 

Aber! Eine ärztliche Gemein­schafts­praxis kann neben den freibe­ruf­li­chen Leistungen auch gewerb­lich tätig werden und die sogenannte „Abfär­be­wir­kung“ vermeiden, indem die gewerb­liche Betäti­gung von einer zweiten, ggf. perso­nen­iden­ti­schen Perso­nen­ge­sell­schaft der Ärzte ausgeübt wird. Entschei­dend sind die Beweisan­zei­chen (z. B. getrennte Bankkonten und Kassen, verschie­dene Rechnungs­vor­drucke, eigen­stän­dige Buchfüh­rung). Das heißt, die zweite Gesell­schaft muss nach außen erkennbar geworden sein.

Quelle:BFH | Urteil | IV R 11/97 | 18-02-1998