Der Gewinn aus dem Verkauf einer Immobilie ist steuer­pflichtig, wenn er inner­halb von 10 Jahren nach dem Erwerb erfolgt. Bei selbst­ge­nutztem Wohnei­gentum ist der Veräu­ße­rungs­ge­winn aller­dings steuer­frei, wenn die Immobilie

  • im Zeitraum zwischen Anschaffung/​Fertigstellung und Veräu­ße­rung ausschließ­lich zu eigenen Wohnzwe­cken oder
  • im Jahr der Veräu­ße­rung und in den beiden voran­ge­gan­genen Jahren zu eigenen Wohnzwe­cken

genutzt wurde (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG).
Der BFH hat entschieden, dass der Gewinn aus dem Verkauf einer selbst­ge­nutzten Wohnung auch dann in vollem Umfang steuer­frei ist, wenn zuvor Werbungs­kosten für ein häusli­ches Arbeits­zimmer abgesetzt wurden.

Praxis-Beispiel:
Eine Lehrerin erzielte Einkünfte aus nicht­selb­stän­diger Tätig­keit und machte für ein beruf­lich genutztes Arbeits­zimmer in ihrer Eigen­tums­woh­nung jeweils Werbung­kosten in Höhe von 1.250 € geltend. Auf das häusliche Arbeits­zimmer entfielen ca. 10% der Gesamt­wohn­fläche. Die Lehrerin verkaufte die selbst­ge­nutzte Wohnung inner­halb von 10 Jahren nach dem Erwerb. Das Finanzamt unter­warf den auf das Arbeits­zimmer entfal­lenden Veräu­ße­rungs­ge­winn von 10.942 € der Besteue­rung, da insoweit keine steuer­freie eigene Wohnnut­zung vorliege.

Der BFH vertritt die Auffas­sung, dass ein häusli­ches Arbeits­zimmer nicht zu einer antei­ligen Besteue­rung des Veräu­ße­rungs­ge­winns führt. Das Arbeits­zimmer ist nämlich in den privaten Wohnbe­reich integriert. Die Nutzung zu eigenen Wohnzwe­cken umschreibt eine auf Dauer angelegte „Häuslich­keit, die Eigen­ge­stal­tung der Haushalts­füh­rung und den häusli­chen Wirkungs­kreis“. Diese Eigen­schaften sind in gewisser Weise auch mit der Betäti­gung in einem häusli­chen Arbeits­zimmer verknüpft. Das spricht deshalb dafür, dass das Arbeits­zimmer (zumin­dest zeitweise) auch zu eigenen Wohnzwe­cken genutzt wird. Eine private Mitbe­nut­zung des Arbeits­zim­mers ist nicht überprüfbar und daher nicht vollständig auszu­schließen. Der Typus­be­griff des häusli­chen Arbeits­zim­mers liegt bereits dann vor, wenn der jewei­lige Raum nahezu ausschließ­lich für betrieb­liche oder beruf­liche Zwecke genutzt wird.

Bei einem Arbeits­zimmer liegt somit - schon dem Begriff des häusli­chen Arbeits­zim­mers nach - regel­mäßig eine jeden­falls gering­fü­gige Nutzung zu eigenen Wohnzwe­cken vor. Auch bei einer nahezu ausschließ­li­chen Nutzung des Arbeits­zim­mers für betriebliche/​berufliche Tätig­keiten kann daher unter­stellt werden, dass es im Übrigen (also zu weniger als 10%) zu eigenen Wohnzwe­cken genutzt wird. Der Umfang der Nutzung des Arbeits­zim­mers zu eigenen Wohnzwe­cken ist in diesem Zusam­men­hang nicht erheb­lich. § 23 EStG enthält keine Bagatell­grenze, sodass bereits eine geringe Nutzung zu eigenen Wohnzwe­cken genügt, um (typisie­rend) davon auszu­gehen, dass ein häusli­ches Arbeits­zimmer stets auch zu eigenen Wohnzwe­cken genutzt wird.

Wichtig: Ob dieselben Grund­sätze bei Gewinn­ein­künften angewendet werden können, ist fraglich. Betrieb­lich genutzte Gebäu­de­teile, die im Eigentum des Unter­neh­mers stehen, werden als eigen­stän­dige Wirtschafts­güter behan­delt, die grund­sätz­lich zum Betriebs­ver­mögen gehören. Aller­dings kann auch hier unter­stellt werden, dass eine Nutzung zu weniger als 10% zu eigenen Wohnzwe­cken erfolgt.

Für die Zuord­nung zum Betriebs­ver­mögen gibt es eine Bagatell­grenze, wonach der Unter­nehmer eine Zuord­nung zum Betriebs­ver­mögen unter­lassen kann, wenn der antei­lige Gebäude- und Grund­stücks­wert nicht mehr als 1/5 des gemeinen Werts (Markt­werts) und nicht mehr als 20.500 € beträgt (Wahlrecht). Konse­quenz: Ohne Zuord­nung zum Betriebs­ver­mögen müssten dieselben Grund­sätze anwendbar sein, die der BFH aufge­stellt hat.

Quelle: BFH | Urteil | IX R 27/19 | 28-02-2021