Es liegt kein Gestal­tungs­miss­brauch vor, wenn die Einkunfts­quelle „Vermie­tung und Verpach­tung“ zeitlich befristet durch die unent­gelt­liche Bestel­lung eines Nießbrauchs übertragen wird, wenn demje­nigen, der den Nießbrauch zuwendet, abgesehen von der Verla­ge­rung der Einkunfts­quelle, kein weiterer steuer­li­cher Vorteil entsteht.

Praxis-Beispiel:
Im Jahr 2015 erwarben die Eltern zweier Kinder ein bebautes Gewer­be­grund­stück zu hälftigem Mitei­gentum. Das Grund­stück war teilweise an eine GmbH und im Übrigen an einen weiteren Gewer­be­be­trieb vermietet. Vater und Mutter waren Allein­ge­sell­schafter und -geschäfts­führer der GmbH. Die Eltern vermie­teten das gesamte Grund­stück an die GmbH, die es zu 75% bis 80% an den dort ansäs­sigen Gewer­be­be­trieb weiter­ver­mie­tete. Die mit der GmbH verein­barte Miete hat in 2016 (ohne Umsatz­steuer) 4.000 € pro Monat betragen und 4.200 € pro Monat ab 2017. Durch die Unter­ver­mie­tung erzielte die GmbH Einnahmen von 3.000 € pro Monat.

Mit notari­ellem Vertrag räumten die Eltern für die Zeit vom 1.1.2016 bis zum 31.12.2023 ihren Kindern gemein­schaft­lich den unent­gelt­li­chen Nießbrauch an dem Grund­stück ein. Die Vermie­ter­stel­lung sollte für die Dauer des Nießbrauchs auf den Nießbraucher übergehen und danach an den Eigen­tümer zurück­fallen. Der Vater stimmte für die Mieterin den Vermie­ter­wech­seln zu. Der vom Amtsge­richt bestellte Ergän­zungs­pfleger geneh­migte die von den Eltern für die Kinder im Vertrag abgege­benen Erklä­rungen. Daraufhin wurde der Nießbrauch im Grund­buch einge­tragen. Dennoch rechnetet das Finanzamt die Vermie­tungs­ein­künfte nicht den Kindern, sondern deren Eltern persön­lich zu und lehnte deshalb die einheit­liche und geson­derte Feststel­lung der Einkünfte ab.

Der BFH hat entschieden, dass die Einkünfte aus Vermie­tung und Verpach­tung den nießbrauch­be­rech­tigten Kindern persön­lich zuzurechnen und geson­dert und einheit­lich festzu­stellen sind. Der Nießbraucher erzielt die Einkünfte aus deren Vermie­tung, wenn er im Außen­ver­hältnis selbst als Vermieter in Erschei­nung tritt. Auch ein (befris­tetes) schuld­recht­li­ches Nutzungs­recht kann zur Zurech­nung der Einkünfte aus Vermie­tung und Verpach­tung führen.

Bestellen Eltern ihren minder­jäh­rigen Kindern den Nießbrauch an einem bebauten Grund­stück, können die Kinder nur dann Einkünfte aus Vermie­tung erzielen, wenn zu ihren Gunsten ein bürger­lich-recht­lich wirksames Nutzungs­recht begründet worden ist. Da der Nießbrauch bürger­lich-recht­lich wirksam begründet worden ist, haben die Kinder den objek­tiven Tatbe­stand der Vermie­tung erfüllt. 

Ein Gestal­tungs­miss­brauch liegt nicht vor, wenn das minder­jäh­rige Kind die Immobilie, die ihm als Nießbraucher zur Nutzung überlassen wurde, an fremde Dritte vermietet. Die Einkünfte aus Vermie­tung und Verpach­tung sind dann dem Kind zuzurechnen. Es handelt sich nicht um einen Fall des Missbrauchs von recht­li­chen Gestal­tungs­mög­lich­keiten. 

Eine auch nur befris­tete Übertra­gung der Einkunfts­quelle ist nicht missbräuch­lich, wenn diese nicht zugleich dazu dient, nicht abzieh­bare Unter­halts­leis­tungen in den Bereich der Einkünfte zu verla­gern. Es ist unschäd­lich, wenn die Übertra­gung der Erfül­lung einer Unter­halts­pflicht dient. Die Entschei­dung der Eltern, ob sie ihren Kindern Barun­ter­halt leisten oder ihnen (vorüber­ge­hend) eine Einkunfts­quelle zuwenden, ist steuer­lich grund­sätz­lich zu beachten. Gleiches gilt, wenn Eltern ihren Kindern einen Vorteil zuwenden wollen, ohne zum Unter­halt in Geld verpflichtet zu sein. Ergibt sich bei einer Gesamt­be­trach­tung aufgrund dieser Situa­tion ein steuer­li­cher Vorteil, so ist dies die Folge des steuer­lich anzuer­ken­nenden Sachver­halts und insofern gesetz­lich "vorge­sehen". Die Begrün-dung des Nießbrauchs bewirkt hier ledig­lich eine Übertra­gung der Einkunfts­quelle. Die Vermie­tungs­ein­künfte werden nicht mehr vom Eigen­tümer (den Eltern), sondern von den Nießbrauchern, den Kindern, erzielt.

Fazit: Ein weiterer steuer­li­cher Vorteil entsteht nicht, weil keine steuer­lich unbeacht­li­chen Unter­halts­auf­wen­dungen in den Bereich der Einkünfte verla­gert werden. Die GmbH konnte die Geschäfts­raum­miete auch vor Begrün­dung des Nießbrauchs als Betriebs­aus­gabe abziehen. Durch die Zuwen­dung der Einkunfts­quelle erwächst den Eltern, von der Verla­ge­rung der Einkünfte abgesehen, gegen­über der Zuwen­dung von versteu­ertem Einkommen kein steuer­li­cher Vorteil.

Quelle: BFH | Urteil | IX R 8/22 | 19-06-2023