Das BMF hat noch in seinem Schreiben vom 31.1.2022 verfügt, dass der Abzug einer zumut­baren Belas­tung bei der Berück­sich­ti­gung von Aufwen­dungen für Krank­heit oder Pflege als außer­ge­wöhn­liche Belas­tung in der Einkom­men­steu­er­fest­set­zung vorläufig durch­zu­führen ist. Diese Regelung hebt das BMF nunmehr auf, weil es nach der Recht­spre­chung des BFH aus verfas­sungs­recht­li­chen Gründen nicht geboten ist, bei Krank­heits­kosten generell auf den Ansatz einer zumut­baren Belas­tung zu verzichten. Auch Aufwen­dungen für Krank­heit und Pflege sind grund­sätz­lich nur als außer­ge­wöhn­liche Belas­tungen abziehbar, soweit sie den Betrag der zumut­baren Belas­tung überschreiten. Der Wortlaut der Regelung sei eindeutig und diffe­ren­ziere bei der Ermitt­lung der zumut­baren Belas­tung nicht zwischen Aufwen­dungen für Krank­heit und Pflege und andere als außer­ge­wöhn­liche Belas­tungen abzieh­baren Aufwen­dungen. Die hiergegen erhobenen Verfas­sungs­be­schwerden wurden vom BVerfG nicht zur Entschei­dung angenommen. Damit ist der Grund für eine vorläu­fige Festset­zung der Einkom­men­steuer insoweit entfallen.

Steuer­fest­set­zungen sind daher - soweit es verfah­rens­recht­lich möglich ist - nur noch hinsicht­lich der folgenden Punkte vorläufig vorzu­nehmen:

  1. Höhe der kindbe­zo­genen Freibe­träge
    Der Vorläu­fig­keits­ver­merk hinsicht­lich der kindbe­zo­genen Freibe­träge ist sämtli­chen Einkom­men­steu­er­fest­set­zungen für Veran­la­gungs­zeit­räume ab 2001 mit einer Prüfung der Steuer­frei­stel­lung sowie den mit derar­tigen Einkom­men­steu­er­fest­set­zungen verbun­denen Festset­zungen des Solida­ri­täts­zu­schlags und der Kirchen­steuer beizu­fügen. Wird im Einspruchs­ver­fahren gegen die Festset­zung der Einkom­men­steuer, des Solida­ri­täts­zu­schlags und der Kirchen­steuer für den Veran­la­gungs­zeit­raum 2014 eine Ausset­zung der Vollzie­hung beantragt, so ist dem zu entspre­chen.
     
  2. Besteue­rung von Leibrenten und anderen Leistungen aus der Basis­ver­sor­gung
    Der Vorläu­fig­keits­ver­merk ist sämtli­chen Einkom­men­steu­er­fest­set­zungen für Veran­la­gungs­zeit­räume ab 2005 beizu­fügen, in denen eine Leibrente oder eine andere Leistung aus der Basis­ver­sor­gung erfasst wird. Eine mögliche Zuviel­be­las­tung von Alters­ein­künften muss vom Steuer­pflich­tigen belegt werden. Eine Überprü­fung von Amts wegen durch die Finanz­ämter ohne Mitwir­kung der betrof­fenen Steuer­pflich­tigen ist nicht möglich. Daher ist in Steuer­be­scheiden, die diesen Vorläu­fig­keits­ver­merk enthalten, zusätz­lich folgender Hinweis aufzu­nehmen:
    „Wichtiger Hinweis: Sollte nach einer künftigen Entschei­dung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts oder des Bundes­fi­nanz­hofs dieser Steuer­be­scheid Ihrer Auffas­sung nach hinsicht­lich der Besteue­rung von Leibrenten und anderen Leistungen aus der Basis­ver­sor­gung nach § 22 Nummer 1 Satz 3 Buchstabe a Doppel­buch­stabe aa EStG zu Ihren Gunsten zu ändern sein, benötige ich weitere Unter­lagen von Ihnen. Von Amts wegen kann ich Ihren Steuer­be­scheid nicht ändern, weil mir nicht alle erfor­der­li­chen Infor­ma­tionen vorliegen.“
     
  3. Verlust­ver­rech­nungs­be­schrän­kung für Aktien­ver­äu­ße­rungs­ver­luste nach § 20 Absatz 6 Satz 4 EStG (§ 20 Absatz 6 Satz 5 EStG a.F.) außer­ge­wöhn­liche Belas­tung
    Der Vorläu­fig­keits­ver­merk ist sämtli­chen Einkom­men­steu­er­fest­set­zungen für die Jahre ab 2009 beizu­fügen, in denen ein Verlust aus Kapital­ver­mögen entstanden ist und in denen ein Verlust festge­stellt wird, weil ein Ausgleich mit anderen Einkünften aus Kapital­ver­mögen nicht möglich ist.

Ferner sind im Rahmen der verfah­rens­recht­li­chen Möglich­keiten sämtliche Festset­zungen des Solida­ri­täts­zu­schlags für die Veran­la­gungs­zeit­räume ab 2005 hinsicht­lich der Verfas­sungs­mä­ßig­keit des Solida­ri­täts­zu­schlag­ge­setzes vorläufig vorzu­nehmen. Für die Veran­la­gungs­zeit­räume ab 2020 erfasst dieser Vorläu­fig­keits­ver­merk auch die Frage, ob die fortgel­tende Erhebung eines Solida­ri­täts­zu­schlags nach Auslaufen des Solidar­pakts II zum 31.12.2019 verfas­sungs­gemäß ist.

Wichtig! Steuer­be­scheide sollten die entspre­chenden Vorläu­fig­keits­ver­merke enthalten. Anderen­falls ist es sinnvoll Einspruch einzu­legen und zu beantragen, das Einspruchs­ver­fahren entweder ruhen zu lassen oder den Steuer­be­scheid in den Punkten, in denen jemand betroffen ist, vorläufig durch­führen zu lassen.

Quelle: BMF-Schreiben | Veröf­fent­li­chung | IV A 3 - S 0338/19/10006 :001 | 27-03-2022