Wurde eine nach Unions­recht fakul­ta­tive Steuer­be­güns­ti­gung (ermäßigter Steuer­satz nach § 9 Abs. 3 StromStG a.F.) zu Unrecht nicht gewährt, entsteht ein Erstat­tungs­an­spruch. Dieser Erstat­tungs­an­spruch ist zu verzinsen. Der Verzin­sungs­zeit­raum beginnt mit der Leistung der jewei­ligen Voraus­zah­lung und endet mit der Erstat­tung des festge­setzten Steuer­be­trags. Die Pflicht zur Verzin­sung erstreckt sich auf den gesamten Zeitraum, in dem der Betrag dem Steuer­schuldner nicht zur Verfü­gung stand.

Praxis-Beispiel:
Die Klägerin erklärte in ihrer Strom­steu­er­an­mel­dung für das Jahr 2010 eine bestimmte Strom­menge als begüns­tigt zu besteu­ernden Eigen­ver­brauch. Das Haupt­zollamt erließ einen von der Erklä­rung abwei­chenden Strom­steu­er­be­scheid, der zu einer Erhöhung der Steuer führte. Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein. Nachdem die Klägerin vor Gericht den ermäßigten Steuer­satz zugespro­chen bekommen hatte, änderte das Haupt­zollamt die Strom­steu­er­fest­set­zung. Im Dezember 2014 beantragte die Klägerin die Festset­zung von Zinsen für die erstat­tete Strom­steuer, was das Haupt­zollamt ablehnte. Dagegen erhob die Klägerin Klage. Das Finanz­ge­richt urteilte, dass die Klägerin weder nach natio­nalem Recht noch nach Unions­recht einen Anspruch auf die begehrte Verzin­sung habe. Dagegen legte die Klägerin Revision ein.

Der BFH hat das Verfahren ausge­setzt und den EuGH um Vorab­ent­schei­dung ersucht. Dieser beant­wor­tete die Vorla­ge­frage wie folgt: "Das Unions­recht ist dahin auszu­legen, dass es eine Verzin­sung des Erstat­tungs­be­trags der Strom­steuer verlangt, die zu Unrecht erhoben wurde, weil eine auf der Grund­lage einer den Mitglied­staaten von der Richt­linie 2003/96/EG des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restruk­tu­rie­rung der gemein­schaft­li­chen Rahmen­vor­schriften zur Besteue­rung von Energie­er­zeug­nissen und elektri­schem Strom einge­räumten Möglich­keit erlas­sene natio­nale Vorschrift fehler­haft angewendet wurde."

Die Vorent­schei­dung verletzt Bundes­recht, weil der Klägerin nach Unions­recht ein Anspruch auf Gewäh­rung von Zinsen ab Zahlung der zu Unrecht erhobenen Strom­steuer zusteht. Der BFH kann jedoch nicht abschlie­ßend in der Sache selbst entscheiden, weil das Finanz­ge­richt keine Feststel­lungen zu den von der Klägerin auf die Strom­steuer geleis­teten Voraus­zah­lungen getroffen hat.

Aus dem Unions­recht ergibt sich der Grund­satz, dass die Mitglied­staaten verpflichtet sind, die unter Verstoß gegen das Unions­recht erhobenen Steuer­be­träge zuzüg­lich Zinsen zu erstatten. In Erman­ge­lung einer unions­recht­li­chen Regelung kommt es der inner­staat­li­chen Rechts­ord­nung der Mitglied­staaten zu, die Bedin­gungen für die Zahlung solcher Zinsen, insbe­son­dere den Zinssatz und die Berech­nungs­me­thode für die Zinsen festzu­legen. Die Berech­nung muss nunmehr durch das Finanz­ge­richt erfolgen.

Quelle: BFH | Urteil | VII R 29/21 (VII R 17/18) | 14-11-2022