Wird der Vertrag über ein Verbrau­cher­dar­lehen nach Widerruf rückab­ge­wi­ckelt, handelt es sich bei der Zahlung eines Nutzungs­er­satzes nicht um einen steuer­baren Kapital­ertrag. Grund dafür ist, dass der Nutzungs­er­satz nicht auf einer Tätig­keit beruht, die auf einen Erwerb von Einkünften ausge­richtet ist. Das bedeutet, er wird nicht inner­halb der steuer­baren Erwerbs­sphäre erzielt. Das Schuld­ver­hältnis, das aufgrund des Wider­rufs zur Rückge­währ führt, ist ertrag­steu­er­lich als Einheit zu behan­deln und kann auch nicht bei den sonstigen Einkünften gemäß § 22 Nr. 3 EStG erfasst werden.

Praxis-Beispiel:
Die Kläger schlossen mit einer Bank einen Darle­hens­ver­trag über 208.000 € zur Finan­zie­rung einer selbst­ge­nutzten Wohnim­mo­bilie ab. Mit Schreiben vom 21.3.2016 wider­riefen die Kläger unter Verweis auf eine fehler­hafte Wider­rufs­be­leh­rung den Abschluss des Darle­hens­ver­trags und lösten die noch offene Restva­luta ab. In einem zivil­ge­richt­li­chen Verfahren gegen die Bank klagten sie auf einen von ihnen errech­neten Betrag in Höhe von 23.444,88 € als zu leistenden Nutzungs­er­satz für die von ihnen bis zum Widerruf erbrachten Zins- und Tilgungs­leis­tungen. Vor dem Landge­richt schlossen die Kläger und die Bank einen Vergleich. Danach hatte die Bank "zur Abgel­tung der Klage­for­de­rung sowie sämtli­cher Ansprüche aus dem Darle­hens­ver­trag einen Betrag in Höhe von 14.500 € an die Kläger zu zahlen, der "ganz oder teilweise der Kapital­ertrag­steuer unter­liegt". Die Bank zahlte im Streit­jahr nach Abzug von Kapital­ertrag­steuer, Solida­ri­täts­zu­schlag und Kirchen­steuer an die Kläger 10.558,18 € aus.

Die Kläger machten geltend, dass die Bank zu Unrecht Kapital­ertrag­steuer einbe­halten habe. Sie beantragten für sämtliche Kapital­erträge die Überprü­fung des Einbe­halts der Kapital­ertrag­steuer. Das Finanzamt folgte dem nicht und berück­sich­tigte den Nutzungs­er­satz als Einkünfte aus Kapital­ver­mögen. Es zog bei den Klägern ledig­lich den Sparer-Pausch­be­trag ab.

Der BFH hat entschieden, dass der Nutzungs­er­satz in Höhe von 14.500 € kein steuer­barer Kapital­ertrag im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG ist. Die Rückab­wick­lung des Darle­hens­ver­trags führt bei den Klägern auch nicht zu Einkünften aus Leistungen im Sinne des § 22 Nr. 3 EStG. Der BFH hat daher der Klage statt­ge­geben.

Ein Steuer­pflich­tiger erzielt Einkünfte aus Kapital­ver­mögen, wenn er Kapital­ver­mögen gegen Entgelt zur Nutzung überlässt. Der Grund der Kapital­über­las­sung ist dabei ohne Bedeu­tung. Auch eine nicht freiwil­lige, sondern erzwun­gene Kapital­über­las­sung kann zu Einnahmen aus Kapital­ver­mögen führen. Die Erzie­lung von Einkünften aus Kapital­ver­mögen setzt im Grund­satz eine Tätig­keit voraus, die auf den Erwerb von Einnahmen gerichtet ist. Das gilt auch nach Einfüh­rung der Abgel­tung­s­teuer. Bei den Kapital­ein­künften ist zwischen der Erwerbs­sphäre und der nicht steuer­baren Privat­sphäre zu unter­scheiden. Der Nutzungs­er­satz, der nach dem Widerruf des Darle­hens­ver­trags an die Kläger gezahlt wird, fällt nicht inner­halb der Erwerbs­sphäre an. Die Rückab­wick­lung des Darle­hens­ver­trags ist aus der Perspek­tive der Kläger keine auf einen Erwerb gerich­tete Tätig­keit.

Hinsicht­lich der Einkünfte aus Kapital­ver­mögen vollzieht sich die Rückab­wick­lung außer­halb der steuer­baren Erwerbs­sphäre ab. Mit dem wirksamen Widerruf wird das ursprüng­liche Darle­hens­ver­hältnis in ein „Rückge­währ­schuld­ver­hältnis“ umgestaltet. Beide Seiten leiten danach ihre wechsel­sei­tigen Ansprüche auf Rückzah­lung sowie auf Nutzungs­er­satz hieraus und nicht mehr aus dem ursprüng­li­chen Darle­hens­ver­trag ab. Dieses Rückge­währ­schuld­ver­hältnis ist maßgeb­lich für die Besteue­rung. Es bildet die Grund­lage dafür, ob ein Tatbe­stand verwirk­licht wurde, der zur Besteue­rung führt. Das Rückge­währ­schuld­ver­hältnis ist allein darauf gerichtet, den ursprüng­li­chen Leistungs­aus­tausch rückgängig zu machen.

Quelle: BFH | Urteil | VIII R 7/21 | 06-11-2023