Bei Grund­stü­cken liegt ein privates Veräu­ße­rungs­ge­schäft (= Speku­la­ti­ons­ge­schäft) vor, wenn zwischen Anschaf­fung und Veräu­ße­rung nicht mehr als zehn Jahre liegen. Ausge­nommen sind Grund­stücke, die im Zeitraum zwischen Anschaffung/​Fertigstellung und Veräu­ße­rung ausschließ­lich zu eigenen Wohnzwe­cken oder im Jahr der Veräu­ße­rung und in den beiden voran­ge­gan­genen Jahren zu eigenen Wohnzwe­cken genutzt wurden. Eine Nutzung zu eigenen Wohnzwe­cken liegt auch vor, wenn der Steuer­pflich­tige die Wohnung unent­gelt­lich an (leibliche) Kinder überlässt. Voraus­set­zung ist jedoch, dass das Kind bzw. die Kinder im Zeitpunkt der Veräu­ße­rung steuer­lich berück­sich­ti­gungs­fähig sind.

Praxis-Beispiel:
Die Klägerin hat im Jahr 2016 mit der Veräu­ße­rung einer Wohnung einen Gewinn aus einem privaten Veräu­ße­rungs­ge­schäft erzielt. Weil die Wohnung im Zeitraum zwischen Erwerb und Veräu­ße­rung von den leibli­chen Kindern der Klägerin bewohnt worden ist, ging die Klägerin davon aus, dass kein privates Veräu­ße­rungs­ge­schäft vorlag. Da zwei der 3 Kinder bereits das 25. Lebens­jahr vollendet hatten, verneinte das Finanzamt eine Nutzung zu eigenen Wohnzwe­cken, weil die Wohnung (teilweise) unent­gelt­lich an Dritte überlassen wurde. Dritte in diesem Sinne sind auch die Kinder, für die kein Anspruch auf Kinder­geld oder Kinder­frei­be­trag (mehr) besteht, was nach Vollendung des 25. Lebens­jahres der Fall ist.

Eine "Nutzung zu eigenen Wohnzwe­cken" setzt voraus, dass eine Immobilie zum Bewohnen dauer­haft geeignet ist und vom Steuer­pflich­tigen auch bewohnt wird. Der Steuer­pflich­tige muss das Gebäude zumin­dest auch selbst nutzen. Unschäd­lich ist, wenn er es gemeinsam mit seinen Famili­en­an­ge­hö­rigen bewohnt. Ein Gebäude wird auch dann zu eigenen Wohnzwe­cken genutzt, wenn es der Steuer­pflich­tige nur zeitweilig bewohnt, sofern es ihm in der übrigen Zeit als Wohnung zur Verfü­gung steht. Ein Steuer­pflich­tiger kann deshalb mehrere Gebäude gleich­zeitig zu eigenen Wohnzwe­cken nutzen. Erfasst sind daher auch Zweit­woh­nungen, nicht zur Vermie­tung bestimmte Ferien­woh­nungen und Wohnungen, die im Rahmen einer doppelten Haushalts­füh­rung genutzt werden. Ist deren Nutzung auf Dauer angelegt, kommt es nicht darauf an, ob der Steuer­pflich­tige noch eine (oder mehrere) weitere Wohnung(en) hat und wie oft er sich darin aufhält.

Eine Nutzung zu eigenen Wohnzwe­cken kann sich auch auf mehrere Wohnungen beziehen, wenn sich der Haushalt einer Familie auf mehrere Örtlich­keiten verteilt, z. B. auf einen Famili­en­wohn­sitz und einen doppelten Haushalt am Ort der Berufs­tä­tig­keit und/​oder einen weiteren Haushalt am Studi­enort von einkom­men­steu­er­lich zu berück­sich­ti­genden Kindern.

Eine Nutzung zu eigenen Wohnzwe­cken ist somit zu bejahen, wenn der Steuer­pflich­tige Teile einer zu eigenen Wohnzwe­cken genutzten Wohnung oder die Wohnung insge­samt einem einkom­men­steu­er­lich zu berück­sich­ti­genden Kind unent­gelt­lich zur teilweisen oder allei­nigen Nutzung überlässt. Die Nutzung der Wohnung durch das Kind ist dem Eigen­tümer in diesem Fall als eigene Nutzung zuzurechnen, weil es ihm im Rahmen seiner unter­halts­recht­li­chen Verpflich­tung obliegt, für die Unter­brin­gung des Kindes zu sorgen. 

Überlässt der Steuer­pflich­tige die Wohnung aber nicht ausschließ­lich einem einkom­men­steu­er­lich zu berück­sich­ti­genden Kind (oder mehreren einkom­men­steu­er­lich zu berück­sich­ti­genden Kindern) unent­gelt­lich zur Nutzung, sondern zugleich einem Dritten, liegt keine begüns­tigte Nutzung des Steuer­pflich­tigen zu eigenen Wohnzwe­cken vor. Der BFH hält daher auch die fortdau­ernde Mitbe­nut­zung der Wohnung durch Kinder für schäd­lich, wenn diese einkom­men­steu­er­lich nicht mehr zu berück­sich­tigen sind.

Konse­quenz: Die (Mit-)Nutzung durch ein weiteres Kind, das wegen seines Alters nicht (mehr) einkom­men­steu­er­lich zu berück­sich­tigen ist, führt dazu, dass eine Nutzung zu eigenen Wohnzwe­cken nicht mehr vorliegt.

Quelle: BFH | Urteil | IX R 28/21 | 23-05-2022