Kauft eine Erzeugergenossenschaft Lebensmittel von ihren Mitgliedern in ihrer Eigenschaft als Erzeuger an und liefert diese Lebensmittel in eigenem Namen und auf eigene Rechnung an Abnehmer weiter, sind "Marktgebühren", die die Erzeugergenossenschaft von dem an die Erzeuger zu zahlenden Kaufpreis abzieht, kein Entgelt für eine Vermarktungsleistung.
Praxis-Beispiel:
Eine Erzeugergenossenschaft betrieb die gemeinschaftliche Verwertung von Obst und Gemüse sowie sonstiger landwirtschaftlicher und gartenbaulicher Erzeugnisse ihrer Mitglieder (Erzeuger). Nur Mitglieder der Genossenschaft waren als Anlieferer zugelassen. Die Mitglieder waren verpflichtet, alle in ihrer Wirtschaft anfallenden marktfähigen und zum Absatz über die Erzeugerorganisation geeigneten Obst- und Gemüseerzeugnisse, mit Ausnahme der für ihren Haushalt benötigten Mengen, bei der Genossenschaft anzuliefern. Direktverkäufe waren nur mit Zustimmung der Erzeugerorganisation zulässig. Jedoch durfte mit Zustimmung der Genossenschaft ein bestimmter Prozentsatz der Erzeugnisse ab Hof verkauft werden.
Die Genossenschaft vermarktete die angelieferten Erzeugnisse im eigenen Namen auf eigene Rechnung. Sie verkaufte die Erzeugnisse an verschiedene Erwerber (Abnehmer). Gegenüber den Abnehmern trat die Genossenschaft als Verkäuferin auf. Die Ware blieb bis zur vollständigen Bezahlung des Kaufpreises durch den Abnehmer Eigentum der Genossenschaft. Der typische Ablauf der Verkäufe sah wie folgt aus: Der Abnehmer bestellt die Ware mündlich oder telefonisch. Eine schriftliche Fixierung fand nicht statt. Die Verkäufer der Genossenschaft handelten den bestmöglichen Preis aus. Sodann wurde die Ware vom Erzeuger bei der Genossenschaft angeliefert, überprüft und am selben Tag an den Abnehmer weiter geliefert. Laufende Mitgliedsbeiträge wurden nicht erhoben.
Die Zahlungen an die Erzeuger ergaben sich aus den jeweiligen Verkaufserlösen abzüglich der festgesetzten Abschläge. Die Abrechnung der Lieferungen der Erzeuger an die Genossenschaft erfolgte durch Gutschrift. Diese Abschläge wurden auch als "Marktgebühren" bezeichnet, die im Rahmen der Gutschriften an die Erzeuger vom Verkaufserlös der Genossenschaft an die Abnehmer abgezogen und von der Genossenschaft einbehalten wurden. Das Finanzamt sah nach Durchführung mehrerer Außenprüfungen in den Marktgebühren ein Entgelt für eine (dem Regelsteuersatz unterliegende) sonstige Leistung der Genossenschaft an die Erzeuger und unterwarf diese „Marktgebühr“ der Umsatzsteuer.
Der BFH hat entschieden, dass das Finanzgericht die Genossenschaft zurecht als Zwischenhändlerin beurteilt hat. Sie erwarb bei jedem einzelnen Verkaufsvorgang die Ware von den Erzeugern und lieferte sie an die Abnehmer weiter. Mit der Vermarktung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse wurde somit keine weitere sonstige Leistung an die Erzeuger ausgeführt. Dem Hinweis des Finanzamts, der wirtschaftliche Gehalt der Tätigkeit der Genossenschaft gehe über einen bloßen Weiterverkauf der von den Erzeugern erworbenen Produkte hinaus, teilt der BFH nicht.