Entgegen seiner bishe­rigen Recht­spre­chung hat der BFH entschieden, dass sich Sport­ver­eine nicht auf eine allge­meine - aus der Mehrwert­steu­er­sys­tem­richt­linie (MwStSystRL) abgelei­tete - Steuer­frei­heit berufen können. Das heißt, dass die Umsatz­steu­er­pflicht nach natio­nalem Recht bestehen bleibt. Die Entschei­dung des BFH betrifft unmit­telbar nur Leistungen, die Sport­ver­eine gegen geson­derte Vergü­tung erbringen. Diese Entschei­dung ist daher für die Umsatz­be­steue­rung im Sport­be­reich von grund­sätz­li­cher Bedeu­tung.

Praxis-Beispiel:
Es ging um einen Golfverein, der über die allge­meinen nicht steuer­baren Mitglieds­bei­träge seiner Mitglieder hinaus eine Reihe von Leistungen gegen geson­dertes Entgelt erbrachte. Dabei handelte es sich um die Berech­ti­gung zur Nutzung des Golfspiel­platzes, die leihweise Überlas­sung von Golfbällen für das Abschlags­trai­ning mittels eines Ballau­to­maten, die Durch­füh­rung von Golftur­nieren und Veran­stal­tungen, bei denen der Kläger Start­gelder für die Teilnahme verein­nahmte, die mietweise Überlas­sung von Caddys und um den Verkauf eines Golfschlä­gers.

Das Finanzamt sah diese geson­dert vergü­teten Leistungen als steuerbar und umsatz­steu­er­pflichtig an. Die (dem Grunde nach mögliche) Steuer­frei­heit für den Veran­stal­tungs­be­reich gemäß § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG lehnte das Finanzamt ab, weil es den Golfverein nicht als gemein­nützig ansah. Das Finanzamt begrün­dete dies damit, dass es an einer hinrei­chenden Vermö­gens­zweck­bin­dung für den Fall der Vereins­auf­lö­sung fehlte. Das Finanz­ge­richt gab der hiergegen einge­legten Klage statt, da es nach der bishe­rigen Recht­spre­chung des BFH davon ausging, dass sich der Golfverein auf eine weiter gefasste Steuer­frei­heit nach EU-Recht berufen könne.

Da Zweifel daran bestanden, dass sich der Verein auf die aus der Mehrwert­steu­er­sys­tem­richt­linie abgelei­tete Steuer­frei­heit berufen könne, rief der BFH im Revisi­ons­ver­fahren den EuGH an. Dieser entschied, dass eine Berufung auf die Steuer­frei­heit nach der Mehrwert­steu­er­sys­tem­richt­linie nicht möglich sei. Dem hat sich der BFH jetzt unter Aufgabe seiner bishe­rigen Recht­spre­chung angeschlossen, sodass das Urteil des Finanz­ge­richts aufzu­heben und die Klage abzuweisen war.Dies gilt auch für die eigent­lich unter § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG fallende Durch­füh­rung von Golftur­nieren und Veran­stal­tungen, bei denen der Kläger Start­gelder für die Teilnahme verein­nahmte. Denn der EuGH hatte ergän­zend entschieden, dass die Steuer­frei­heit im Sport­be­reich voraus­setzt, dass das Vereins­ver­mögen im Auflö­sungs­fall nur zweck­ge­bunden verteilt werden kann, woran es im Streit­fall fehlte. Dies beruht darauf, dass nach der Recht­spre­chung des EuGH und des BFH Leistungen, die Sport­ver­eine an ihre Mitglieder gegen allge­meine Mitglieds­bei­träge erbringen, entgegen der Verwal­tungs­praxis weiterhin steuerbar sind, so dass es durch die nunmehr versagte Steuer­be­freiung zu einer Umsatz­steu­er­pflicht kommt.

Alle Sport­ver­eine müssen jetzt also damit rechnen, dass die Recht­spre­chung ihre Leistungen auch insoweit als umsatz­steu­er­pflichtig ansieht, als sie derar­tige Leistungen an ihre Mitglieder erbringen und es sich dabei nicht um eine sport­liche Veran­stal­tung i.S. von § 4 Nr. 22 Buchst. b des Umsatz­steu­er­ge­setzes (UStG) handelt. Dies spricht der BFH in seinem Urteil ausdrück­lich an.

Lösung: Diese Proble­matik kann nur gesetz­ge­be­risch dadurch gelöst werden, indem der natio­nale Gesetz­geber die nach der EU-Richt­linie bestehende Möglich­keit ergreift, Leistungen im Bereich des Sports weiter­ge­hend von der Umsatz­steuer zu befreien. Dies wird in der Fachwelt schon lange disku­tiert, ohne dass der natio­nale Gesetz­geber derar­tige Überle­gungen aufge­griffen hat.

Quelle: BFH | Urteil | V R 48/20 / V R 20/17 | 20-04-2022