Verzichtet ein Chefarzt auf sein Recht zur Privat­li­qui­da­tion, das ihm durch die Klinik einge­räumt wurde, und erhält er dafür monat­liche Ausgleichs­zah­lungen, dann handelt es sich um eine Verzichts­leis­tung, die der Umsatz­steuer unter­liegt. Bei dem Verzicht auf das Recht zur Privat­li­qui­da­tion zugunsten des Klinik­trä­gers handelt es sich nicht um einen Verzicht auf die zukünf­tige Erbrin­gung von Heilbe­hand­lungs­leis­tungen gegen­über den Privat­ver­si­cherten.

Praxis-Beispiel:
Der Kläger ist Professor der Medizin und gleich­zeitig Chefarzt an einer Klinik. Er erzielte durch die Ausübung seines Rechts auf Neben­tä­tig­keit Einkünfte aus freibe­ruf­li­cher ärztli­cher Tätig­keit. Diese Umsätze wurden vom Finanzamt zutref­fend als umsatz­steu­er­frei behan­delt. Im Rahmen einer Neuor­ga­ni­sa­tion hat die Klinik mit dem Kläger verein­bart, dass er die Leitung der Klinik sowie sein Recht zur Privat­li­qui­da­tion aufgibt. Zum Ausgleich für seine finan­zi­ellen Nachteile erhielt der Kläger bis zum Eintritt in den Ruhestand einen fest verein­barten Betrag jeweils zum Ende eines Kalen­der­mo­nats. Der Kläger ging davon aus, dass es sich um nicht umsatz­steu­er­bare Entschädigungen/​Abfindungen handelte und gab diese nicht in seinen Umsatz­steu­er­erklä­rungen an.

Bei einer Außen­prü­fung kann das Finanzamt zu dem Ergebnis, dass es sich beim Verzicht des Klägers auf sein Recht zur Privat­li­qui­da­tion um eine umsatz­steu­er­bare und umsatz­steu­er­pflich­tige sonstige Leistung handelt. Der Kläger machte geltend, dass der vertrag­lich verein­barte Verzicht auf das Recht zur Privat­li­qui­da­tion als Abfin­dung im Rahmen seiner beamten­recht­li­chen Stellung zu quali­fi­zieren sei, sodass er keine Leistung als Unter­nehmer erbracht habe.

Im Gegen­satz zum Finanz­ge­richt hat der BFH entschieden, dass die Leistung des Klägers umsatz­steu­erbar und nicht als Heilbe­hand­lung steuer­frei ist. Über den Auftei­lungs­schlüssel bei den Vorsteu­er­be­trägen infolge der Steuer­pflicht der Verzichts­leis­tung besteht kein Streit. Die verein­barten Zahlungen sind - entgegen der Auffas­sung des Finanz­ge­richts - keine Abfin­dung für einen beamten­recht­li­chen Besitz­stand, sondern Entgelt für einen steuer­baren Umsatz.

Es ist unbestritten, dass die Voraus­set­zungen für einen entgelt­li­chen Leistungs­aus­tausch vorliegen können, wenn ein Steuer­pflich­tiger auf eine ihm zuste­hende Rechts­po­si­tion gegen Entgelt verzichtet. Folglich handelt es sich bei der Zahlung eines finan­zi­ellen Ausgleichs um ein Entgelt für den Verzicht auf die Behand­lung und Liqui­da­tion von Privat­pa­ti­enten. Der Verzicht des Klägers auf das Recht zur Privat­li­qui­da­tion erfolgte auch als Unter­nehmer und war daher nicht in erster Linie überwie­gend beamten­recht­lich veran­lasst.

Nur die Verset­zung inner­halb der Klinik ist beamten­recht­lich veran­lasst, sodass davon ledig­lich der erklärte Verzicht auf die Leitung der Klinik betroffen ist. Der finan­zi­elle Ausgleich wurde jedoch vor allem für den "Verzicht auf das Recht zur Privat­li­qui­da­tion" gezahlt. Wie das Finanzamt zutref­fend geltend machte, dient der Verzicht auf das Privat­li­qui­da­ti­ons­recht weder der Behand­lung, Linde­rung oder Vorbeu­gung einer Krank­heit und fällt daher mangels eines thera­peu­ti­schen Zwecks nicht unter die Steuer­be­freiung.

Quelle: BFH | Urteil | V R 36/20 | 29-06-2022