Überlässt ein Ehegatte seinen Mitei­gen­tums­an­teil am gemein­samen Haus unent­gelt­lich an den geschie­denen oder dauernd getrennt­le­benden Ehegatten, handelt es sich insoweit um Natur­al­un­ter­halt. Dieser Natur­al­un­ter­halt kann beim sogenannten Realsplit­ting in Höhe der ortsüb­li­chen Miete berück­sich­tigt werden. Die ortsüb­liche Miete ist auch dann anzusetzen, wenn beide unter­halts­recht­lich einen betrags­mäßig gerin­geren Wohnvor­teil verein­bart haben.

Praxis-Beispiel:
Der verhei­ra­tete Kläger lebte in 2015 dauernd getrennt von seiner Ehefrau. Die Ehefrau und die beiden gemein­samen minder­jäh­rigen Kinder bewohnten noch bis Dezember 2015 die bishe­rige Famili­en­woh­nung, deren Eigen­tümer die Eheleute je zur ideellen Hälfte waren. Die getrennt­le­benden Eheleute schlossen eine notari­elle Trennungs- und Schei­dungs­fol­gen­ver­ein­ba­rung, in der sich der Kläger dazu verpflich­tete, seiner von ihm getrennt­le­benden Ehefrau bis zur Rechts­kraft des Schei­dungs­ur­teils Trennungs­un­ter­halt von monat­lich 200 € als Elementar- und Versor­gungs­un­ter­halt zu zahlen. Sie verein­barten, dass der Trennungs­un­ter­halt monat­lich 600 € betrug. Hierauf war der Wohnvor­teil für die Überlas­sung des Mitei­gen­tums­an­teils an der zuvor gemeinsam genutzten Famili­en­woh­nung mit 400 € in Abzug zu bringen. Die getrennt­le­bende Ehefrau verpflich­tete sich, für den Kläger die Anlage U zu unter­zeichnen. Im Gegenzug verpflich­tete sich der Kläger, die getrennt­le­bende Ehefrau von "allen hieraus erwach­senden steuer­li­chen Nachteilen" freizu­halten.

Nachdem der Einkom­men­steu­er­be­scheid 2015 bestands­kräftig war, beantragte der Kläger die Änderung des Einkom­men­steu­er­be­scheids und begehrte, Unter­halts­leis­tungen von 12.066 € in Abzug zu bringen. Für die Nutzungs­über­las­sung der ehema­ligen Famili­en­woh­nung sei nicht der Betrag von 400 € zu berück­sich­tigen, sondern der tatsäch­liche Mietwert seines Mitei­gen­tums­an­teils von monat­lich 818,07 €. Das Finanz­ge­richt ging zwar davon aus, dass die formellen Voraus­set­zungen für eine Änderung der Steuer­fest­set­zung vorlagen, berück­sich­tigte aber nur den verein­barten Betrag von 400 €.

Unter­halts­leis­tungen sind typischer­weise Aufwen­dungen zur Bestrei­tung der Lebens­füh­rung, z. B. für Ernäh­rung, Kleidung oder Wohnung. Der Unter­halt kann in Geld oder geldwerten Sachleis­tungen erbracht werden. Somit stellt die unent­gelt­liche Überlas­sung einer Wohnung eine Natur­al­un­ter­halts­leis­tung dar, die beim Realsplit­ting mit den üblichen Mittel­preisen des Verbrauchs­orts anzusetzen ist (sinnge­mäße Anwen­dung von § 15 Abs. 2 BewG). Die Wohnungs­über­las­sung mindert den Anspruch des Unter­halts­be­rech­tigten auf Barun­ter­halt, sodass diese einer geldwerten Sachleis­tung (Ausgabe) gleich­zu­setzen ist, die mit der Überlas­sung zur Nutzung abfließt. Die Wohnungs­über­las­sung unter gleich­zei­tiger Vermin­de­rung des Barun­ter­halts kürzt nur den Zahlungsweg ab. Der unter­halts­ver­pflich­tete Ehegatte erzielt mangels eines Entgelts keine Einkünfte aus Vermie­tung und Verpach­tung.

Anderer­seits hat der BFH entschieden, dass es keinen Missbrauch von recht­li­chen Gestal­tungs­mög­lich­keiten darstellt, wenn die Überlas­sung einer Immobilie an den geschie­denen oder dauernd getrennt­le­benden Ehegatten entgelt­lich im Rahmen eines Mietver­trags erfolgt. Es liegen dann Einkünften aus Vermie­tung und Verpach­tung vor, selbst wenn die Miete mit dem geschul­deten Barun­ter­halt verrechnet wird. Im vorlie­genden Fall liegen aller­dings keine Anzei­chen vor, dass ein entgelt­li­ches Mietver­hältnis verein­bart wurde. Es wurde vielmehr ein Trennungs­un­ter­halt von 600 € verein­bart, von dem aller­dings nur 200 € als Elementar- und Vorsor­ge­un­ter­halt auszu­zahlen waren. Der Betrag vom 400 € sei, solange die Ehefrau noch in der ehemals gemeinsam genutzten Famili­en­woh­nung lebe, mit dem Wohnvor­teil zu verrechnen. Ebenso deutlich ist die Verein­ba­rung, wonach der Trennungs­un­ter­halt erst ab dem 1.1.2016 (nach dem erwar­teten Auszug) in voller Höhe ausge­zahlt werde. Die Aussage des Finanz­ge­richts, dass die Nutzungs­über­las­sung des Mitei­gen­tums­an­teils keine unent­gelt­liche Natur­al­un­ter­halts­leis­tung sei, sondern auf einer entgelt­li­chen mietver­trags­ähn­li­chen Verein­ba­rung beruhe, ist somit unzutref­fend.

Die unter­halts­recht­liche Verein­ba­rung über die Höhe des Vorteils aus der Nutzung der ehema­ligen Famili­en­woh­nung ist hinsicht­lich der Höhe des Sonder­aus­ga­ben­ab­zugs (Realsplit­tings) nicht bindend. Vielmehr ist die unent­gelt­liche Überlas­sung der Wohnung mit den üblichen Mittel­preisen des Verbrauchs­orts anzusetzen. Das Finanz­ge­richt hat diese zu ermit­teln.

Quelle: BFH | Urteil | X R 33/20 | 28-06-2022