Wird bei einer Immobilie mit einer großen Garten­fläche, die zu eigenen Wohnzwe­cken genutzt wird, ein Teil flurmäßig abgetrennt und anschlie­ßend als unbebaute Teilfläche veräu­ßert, liegt inner­halb der 10-Jahres-Frist ein steuer­pflich­tiges privates Veräu­ße­rungs­ge­schäft vor. Der privi­le­gierte Tatbe­stand einer Nutzung zu eigenen Wohnzwe­cken (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) kann nicht beansprucht werden, wenn das unbebaute Flurstück nicht mehr in einem Nutzen- und Funkti­ons­zu­sam­men­hang zum bewohnten Objekt steht.

Praxis-Beispiel:
Die Eheleute (Kläger) erwarben 2014 zu je ½ ein bebautes Grund­stück mit einer Größe von 3.863 m2. Der Kaufpreis für „Gebäude, Freifläche und Landwirt­schafts­fläche“ hat 123.000 € betragen. Nachfol­gend sanierten die Kläger das Gebäude umfas­send und bezogen es 2015 zusammen mit ihrem Sohn. Die Außen­flä­chen des gesamten Grund­stücks nutzten die Kläger als Garten. Aufgrund der von den Klägern gestellten Bauvor­anfrage erteilte der zustän­dige Landkreis 2018 einen Bauvor­be­scheid für die Bebau­bar­keit mit einem Einfa­mi­li­en­haus. Die Kläger veran­lassten die Teilung des Flurstücks in zeitli­chem Zusam­men­hang mit Verkaufs­ge­sprä­chen. Im Mai 2019 erfolgte die Bekannt­gabe im Liegen­schafts­ka­taster. Am 21.6.2019 veräu­ßerten die Kläger das Flurstück mit einer Fläche von 1.000 m2 zu einem Kaufpreis von 90.000 €.

Das Finanzamt ging davon aus, dass ein steuer­pflich­tiges Veräu­ße­rungs­ge­schäft vorliegt und erfasste den Veräu­ße­rungs­ge­winn als sonstige Einkünfte. Die Kläger wandten dagegen ein, dass das von ihnen erwor­bene Grund­stück als zusam­men­hän­gender Garten angelegt worden sei und deshalb ein einheit­li­cher Nutzungs- und Funkti­ons­zu­sam­men­hang für eigene Wohnzwecke bestanden habe.

Das Finanz­ge­richt hat entschieden, dass ein steuer­pflich­tiges Veräu­ße­rungs­ge­schäft vorliegt und die Kläger mit der Veräu­ße­rung des Flurstücks sonstige Einkünfte von insge­samt 58.160 € erzielt haben.

Von der Besteue­rung als privates Veräu­ße­rungs­ge­schäft sind die Wirtschafts­güter ausge­nommen, die im Zeitraum zwischen Anschaffung/​Fertigstellung und Veräu­ße­rung ausschließ­lich zu eigenen Wohnzwe­cken genutzt wurden. Diese gesetz­liche Freistel­lung dient dem Zweck, die Besteue­rung eines Veräu­ße­rungs­ge­winns bei Aufgabe eines Wohnsitzes (z. B. wegen Arbeits­platz­wech­sels) zu vermeiden. Bei einem zu eigenen Wohnzwe­cken genutzten Gebäude ist der „dazuge­hö­rige Grund und Boden“ in die Begüns­ti­gung mit einzu­be­ziehen, weil die Veräu­ße­rung eines zu eigenen Wohnzwe­cken genutzten Wirtschafts­guts regel­mäßig auch den antei­ligen Grund und Boden umfasst. Der Zweck der Ausnah­me­re­ge­lung würde verfehlt, wenn man den zugehö­rigen Grund und Boden abwei­chend von dem zu Wohnzwe­cken genutzten Gebäude der Besteue­rung unter­wirft.

Die Grenze zieht der BFH aber unter Berück­sich­ti­gung des Normzwecks des Befrei­ungs­tat­be­stands. So sah er in einem Fall, in dem der Steuer­pflich­tige das bisher als Garten genutzte Nachbar­grund­stück veräu­ßerte, während er auf dem anderen Grund­stück wohnen blieb, den Zweck der Steuer­be­güns­ti­gung, einen Umzug insbe­son­dere infolge eines Arbeits­platz­wech­sels nicht zu erschweren, nicht als erfüllt an und beurteilte die Veräu­ße­rung als steuerbar.

Das Finanz­ge­richt hat die Revision zugelassen (Az. beim BFH: IX R 14/22).

Quelle: Finanz­ge­richte | Urteil | FG Nieder­sachsen, 4 K 88/21 | 19-07-2022