Eine Rückstel­lung kann gebildet werden, wenn die Verbind­lich­keit mit hinrei­chender Wahrschein­lich­keit dem Grunde nach künftig entsteht. Davon ist auszu­gehen, wenn Mitar­bei­ter­boni ohne recht­liche Verpflich­tung seit Jahren gezahlt werden. 

Eine wirtschaft­liche Verur­sa­chung in der Vergan­gen­heit liegt vor, wenn die Mitar­bei­ter­boni in der Haupt­sache die Leistungen der Mitar­beiter im abgelau­fenen Geschäfts­jahr abgelten sollen, auch wenn hierdurch eine Mitar­bei­ter­bin­dung als Neben­zweck erreicht wird. Wertauf­fal­lende Umstände, die spätes­tens bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die Bilanz aufzu­stellen gewesen wäre, bekannt wurden, können berück­sich­tigt werden.

Praxis-Beispiel:
Eine GmbH zahlte ihren Arbeit­neh­mern nach Ablauf eines guten Geschäfts­jahres Mitar­bei­ter­boni. Hierüber gab es bei einem Teil der Mitar­beiter keine schrift­li­chen Verein­ba­rungen. Bei anderen Mitar­bei­tern wurde im Vertrag infor­mell festge­halten, dass es sich um eine freiwil­lige Leistung ohne Rechts­an­spruch handelt. In den Jahren 2011-2013 wurde in jedem Jahr ein Bonus ausbe­zahlt. Für das Jahr 2014 wurde Anfang 2015 eine Bonus­zah­lung per Mail angekün­digt und im März 2015 ausbe­zahlt. Für diesen Betrag bildete die GmbH eine Rückstel­lung. Bei einer Betriebs­prü­fung vertrat das das Finanzamt die Auffas­sung, dass die Bildung einer Rückstel­lung nicht möglich sei. Der Bonus­an­spruch hänge von Bedin­gungen ab, die in der Zukunft liegen, da über die Höhe erst im Folge­jahr und abhängig von der zukünf­tigen Gewinn­si­tua­tion der Gesell­schaft entschieden werde. Der Bonus­an­spruch sei auch nicht vertrag­lich oder durch eine Betriebs­ver­ein­ba­rung fixiert.

Das Finanz­ge­richt hat entschieden, dass eine hinrei­chende Wahrschein­lich­keit des künftigen Entste­hens einer Verbind­lich­keit dem Grunde nach entstanden ist, auch wenn die Arbeit­nehmer keinen Rechts­an­spruch auf den Bonus hatten. Eine Rückstel­lung kann auch dann gebildet werden, wenn mit hinrei­chender Wahrschein­lich­keit eine Verbind­lich­keit dem Grunde nach künftig entsteht, wobei deren Höhe noch ungewiss sein kann.

Wegen des Vorbe­halts der Freiwil­lig­keit stand die Verbind­lich­keit am Bilanz­stichtag weder dem Grunde, noch der Höhe nach mit Sicher­heit fest. Aller­dings war auf Grund der jahre­langen ständigen Ausübung die künftige Entste­hung einer Verbind­lich­keit am Bilanz­stichtag mit hinrei­chender Wahrschein­lich­keit zu erwarten. Die wirtschaft­liche Verur­sa­chung lag in der Zeit vor dem Bilanz­stichtag. Bei den Boni handelte es sich um eine zusätz­liche Vergü­tung für das abgelau­fene Geschäfts­jahr. Der Zusam­men­hang zum abgelau­fenen Geschäfts­jahr ergibt sich aus der Anknüp­fung an die Höhe des Monats­ge­halts und aus der "Infor­ma­tion" für neue Mitar­beiter, dass das Unter­nehmen "für Jahre mit gutem Geschäfts­ver­lauf" im Folge­jahr einen Mitar­bei­ter­bonus zahlt.

Gegen die Rückstel­lung spricht nicht, dass der genaue Betrag am Bilanz­stichtag noch nicht festge­legt worden war. In der Mail mit der Bonus­an­kün­di­gung, die vor der Bilanz­er­stel­lung ergangen war, ist eine wertauf­hel­lende Tatsache zu sehen, die in die Bewer­tung einfließen muss. Es liegt kein schwe­bendes Geschäft vor, das die Rückstel­lungs­bil­dung ausschließen würde. Bei einem schwe­benden Geschäft wird vermutet, dass sich die wechsel­sei­tigen Rechte und Pflichten aus dem Vertrag wertmäßig ausglei­chen. Im entschie­denen Fall hatte ledig­lich die Klägerin ihre Gehalts­zu­sagen noch nicht vollständig erfüllt und war deshalb in Erfül­lungs­rück­stand geraten.

Quelle: Finanz­ge­richte | Urteil | FG Münster, 13 K 3467/19 F | 30-03-2023