Renten aus der gesetz­li­chen Renten­ver­si­che­rung oder eines berufs­stän­di­schen Versor­gungs­werks werden versteuert. Bemes­sungs­grund­lage ist der Jahres­be­trag der Rente. Der Besteue­rung unter­liegt aller­dings nur ein Anteil (Prozent­satz), der sich nach dem Jahr des Renten­be­ginns und dem in diesem Jahr maßge­benden Prozent­satz richtet (Tabelle in § 22 EStG). Das maßgeb­liche Jahr des Renten­be­ginns ist das Jahr, in dem der Renten­an­spruch entstanden ist. Wird der Beginn des Renten­ein­tritts auf Antrag des Renten­be­rech­tigten über das Errei­chen der Regel­al­ters­grenze hinaus aufge­schoben, um einen höheren Renten­an­spruch zu erlangen, dann ist das Jahr maßgeb­lich, in dem die Auszah­lung der Rente beginnt. 

Praxis-Beispiel:
Der Kläger ist in einer berufs­stän­di­schen Versor­gungs­kasse versi­chert. Nach der Satzung hat er mit Vollendung des 65. Lebens­jahres (Alters­grenze) Anspruch auf lebens­lange Alters­rente. Auf Antrag kann der Beginn der Renten­zah­lung über die Alters­grenze hinaus aufge­schoben werden, jedoch längs­tens für die Dauer von 36 Monaten nach Errei­chen der Alters­grenze. In diesem Fall gewährt die Versor­gungs­kasse Zuschläge zu der nach der regulären Alters­grenze erwor­benen Renten­an­wart­schaft, die sich bei einem Aufschub von 36 Monaten auf 21,5% belaufen. Der Anspruch auf Zahlung der Alters­rente beginnt mit dem Monat, in dem der Anspruch entsteht. Der Kläger beantragte bei der Versor­gungs­kasse, den Beginn der Renten­zah­lung um den höchst­mög­li­chen Zeitraum von 36 Monaten hinaus­zu­schieben.

Der Kläger beantragte, dass bei der Besteue­rung der Prozent­satz des Jahres zugrunde gelegt wird, der für das Jahr der Vollendung seines 65. Lebens­jahres (Alters­grenze) maßge­bend war und nicht der Prozent­satz des Jahres, in dem die Renten­zah­lung tatsäch­lich begonnen hat. Das Finanzamt lehnte dies ab.

Der BFH hat entschieden, dass sich der Beginn des Renten­ein­tritts nach den Rechts­grund­lagen richtet, die für das jewei­lige Versor­gungs­system maßgeb­lich sind. Maßge­bend für die Erlan­gung eines höheren Renten­an­spruchs ist danach der Zeitpunkt, den der Renten­be­rech­tigte in Überein­stim­mung mit der Versor­gungs­kasse über das Errei­chen der Regel­al­ters­grenze hinaus aufge­schoben hat. Das war der Beginn der aufge­scho­benen Alters­rente.

Der steuer­freie Teilbe­trag der Rente richtet sich somit nach dem Prozent­satz des Jahres, in dem die Zahlung der hinaus­ge­scho­benen Rente begonnen hat. Hat das Finanzamt im ersten Jahr der Auszah­lung den Prozent­satz zugrunde gelegt, der für das Jahr der Vollendung des 65. Lebens­jahres galt, dann hat dies für die Folge­jahre keine Bindungs­wir­kung. Ein eventu­eller Fehler, der dem Finanzamt in einem bestands­kräftig veran­lagten Vorjahr bei der Ermitt­lung des steuer­freien Renten­teil­be­trags unter­laufen ist, ist daher nicht in die Folge­jahre zu übernehmen.

Quelle: BFH | Urteil | X R 29/20 | 30-10-2022