Das BMF hat die neueste Richt­satz­samm­lung veröf­fent­licht, die auf die Daten des Jahres 2023 basiert (LINK zur Richt­satz­samm­lung für das Kalen­der­jahr 2023). Sie ist ein Hilfs­mittel für die Finanz­ver­wal­tung, um Umsätze und Gewinne der Gewer­be­trei­benden zu verproben und gegebe­nen­falls bei Fehlen anderer Unter­lagen zu schätzen. Wichtig! Die Rohge­winn­sätze, Rohge­winn­auf­schlag­sätze sowie Halb- und Reinge­winne, die in der Richt­satz­samm­lung aufge­führt sind, dienen dazu, indivi­du­elle Sachver­halte zu verall­ge­mei­nern.

Konse­quenz: Bei einer pauscha­lie­renden Betrach­tungs­weise – wie es bei der Richt­satz­samm­lung der Fall ist – können natur­gemäß nicht alle denkbaren Auswir­kungen berück­sich­tigt werden. Das heißt, dass im jewei­ligen Einzel­fall zu prüfen ist, ob und inwie­weit bei der Anwen­dung der Richt­sätze Anpas­sungen vorzu­nehmen sind. Hierbei hilft auch die Wieder­gabe von Bandbreiten im Rahmen der Richt­satz­samm­lung. Das heißt, dass bei der Anwen­dung der Richt­sätze die indivi­du­ellen Verhält­nisse der einzelnen Betriebe zu berück­sich­tigen sind. In wirtschaft­li­chen Krisen­zeiten, können sich sowohl negative als auch positive Auswir­kungen auf die wirtschaft­liche Leistungs­fä­hig­keit von Betrieben ergeben. Wichtig ist daher, in beson­derem Maße auf eine indivi­du­elle Betrach­tung zu achten.

Die Richt­sätze gelten zwar nicht für alle, aber doch für eine Vielzahl von Branchen. Liegt ein Unter­nehmer deutlich außer­halb der Richt­sätze, muss er mit einer Kontrolle durch das Finanzamt rechnen. Es sollte bereits im Vorfeld (am besten bei der Erstel­lung der Bilanz oder Einnahmen-Überschuss-Rechnung) geprüft werden, ob die Betriebs­er­geb­nisse inner­halb der Richt­sätze liegen. Liegen sie außer­halb oder am unteren Rand, sollten die Gründe dafür festge­stellt werden.

Was die einzelnen Spalten bedeuten
Die angege­benen Zahlen geben die Spann­breite wieder und die darunter aufge­führte Zahl den Durch­schnitts­wert:

  • Rohge­winn­auf­schlag ist der prozen­tuale Aufschlag auf den Waren­ein­satz. Wenn z. B. Ware bzw. Material im Wert von 1.000 € einge­setzt wird und ein Rohge­winn­auf­schlag von 50% besteht, beträgt der Aufschlag (1.000 € x 50%=) 500 €.
  • Unter Rohge­winn ist der Prozent­satz ausge­wiesen, mit dem der Rohge­winn aus dem Brutto­wert heraus­ge­rechnet wird. Wenn z. B. eine Leistung für 3.000 € (ohne Umsatz­steuer) erbracht wird und der Rohge­winn­satz 68% beträgt, liegt der Waren­ein­satz bei 3.000 € - (3.000 € x 68%) = 960 €.
  • Der Rohge­winn ist bei Handels­be­trieben mit Rohge­winn I und bei Handwerks- und gemischten Betrieben mit Rohge­winn II bezeichnet. Beim Rohge­winn II werden neben dem Waren- und Materi­al­ein­satz auch die Ferti­gungs­löhne einbe­zogen.
  • Halbrein­ge­winn ist der Rohge­winn abzüg­lich der Betriebs­aus­gaben mit Ausnahme der Gehälter, Löhne und Aufwen­dungen für die eigenen oder gemie­teten Räume sowie der Gewer­be­steuer.
  • Reinge­winn ist der Halbrein­ge­winn abzüg­lich der noch nicht abgezo­genen Betriebs­aus­gaben.

Wichtig! Bei einer formell ordnungs­ge­mäßen Buchfüh­rung darf eine Gewinn- oder Umsatz­schät­zung nach ständiger Recht­spre­chung in der Regel nicht allein darauf gestützt werden, dass die erklärten Gewinne oder Umsätze von der Richt­satz­samm­lung abwei­chen. Werden für einen Gewer­be­be­trieb, für den Buchfüh­rungs­pflicht besteht, keine Bücher geführt, oder ist die Buchfüh­rung nicht ordnungs­gemäß, so ist der Gewinn unter Berück­sich­ti­gung der Verhält­nisse des Einzel­falls (ggf. unter Anwen­dung von Richt­sätzen) zu schätzen. Ein Anspruch darauf, nach Richt­sätzen besteuert zu werden, besteht aller­dings nicht.

Die Richt­sätze finden auch auf Steuer­pflich­tige Anwen­dung, die ihren Gewinn mithilfe einer Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermit­teln. Hierzu sind die erfor­der­li­chen Anpas­sungen vorzu­nehmen (ggf. Umrech­nung der Einnahmen und Ausgaben von Ist- auf Sollbe­träge, Neutra­li­sie­rung der Umsatz­steuer, Zuord­nung außer­or­dent­li­cher bzw. perioden­fremder Aufwen­dungen und Erträge zum Jahr der wirtschaft­li­chen Zugehö­rig­keit). Gegebe­nen­falls müssen im Rahmen der Richt­satz­schät­zung zusätz­lich Bestands­ver­än­de­rungen (z. B. Waren­be­stände, Forde­rungen und Verbind­lich­keiten) ermit­telt bzw. geschätzt und berück­sich­tigt werden.

Quelle:BMF-Schreiben | Veröf­fent­li­chung | IV D 3 - S 1544/19/10001 :011 DOK 2024/0821252 | 16-09-2024