Die Neure­ge­lungen der Nachfor­de­rungs- und Erstat­tungs­zinsen treten am Tag nach der Verkün­dung im Bundes­ge­setz­blatt in Kraft. Der Zinssatz für Nachzah­lungs- und Erstat­tungs­zinsen beträgt dann 0,15% pro Monat (= 1,8% pro Jahr) rückwir­kend ab dem 1.1.2019. Ob der Zinssatz für nachfol­gende Verzin­sungs­zeit­räume angemessen ist, wird alle drei Jahre überprüft und ggf. angepasst (erstmals zum 1.1.2026). Grund­lage ist die Entwick­lung des Basis­zins­satzes.

Wichtig! Die Neure­ge­lung des Zinssatzes für Nachzah­lungs- und Erstat­tungs­zinsen für Verzin­sungs­zeit­räume ab 1.1.2019 gilt für alle Steuern, auf die die Vollver­zin­sung anzuwenden ist. Der Erlass von Nachzah­lungs­zinsen für Zahlungen, die vor der Fällig­keit freiwillig geleistet wurden, wird im Gesetz veran­kert und gilt damit auch für die Gewer­be­steuer, die von den Kommunen verwaltet wird.

Das Einfüh­rungs­ge­setz zur Abgaben­ord­nung enthält die Anwen­dungs­be­stim­mungen zu den Änderungen (Artikel 97 § 15 Absatz 13 bis 16). Danach sind die neuen Regelungen in allen am Tag nach der Verkün­dung des Änderungs­ge­setzes anhän­gigen Verfahren anzuwenden, vorbe­haltlic-h

  • der Vertrau­ens­schutz­re­ge­lung (§ 176 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO), wonach die Aufhe­bung oder Änderung eines Steuer­be­scheids nicht zuungunsten des Steuer­pflich­tigen erfolgen darf, wenn das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt die Nichtig­keit eines Gesetzes feststellt, auf dem die bishe­rige Steuer­fest­set­zung beruht und
  • der Übergangs­re­ge­lung in Absatz 16.

Das heißt, dass die Zinsen, die sich aufgrund der Neube­rech­nung der „offenen“ Zinsen ergeben, die vor Anwen­dung dieser Neube­rech­nung festge­setzten Zinsen nicht übersteigen dürfen. Das heißt, für die Minde­rung von Nachzah­lungs­zinsen zugunsten der Steuer­pflich­tigen ist nicht der neue, niedri­gere Zinssatz maßgeb­lich, sondern der Zinssatz, der bei der ursprüng­li­chen Festset­zung der Nachzah­lungs­zinsen zugrunde gelegt wurde.

Sind bisher nur Erstat­tungs­zinsen festge­setzt worden, kann sich aufgrund der rückwir­kenden Senkung des Zinssatzes keine Rückfor­de­rung ergeben. Dies gilt unabhängig davon, ob diese Zinsfest­set­zungen bei Inkraft­treten der Neure­ge­lungen endgültig und unanfechtbar festge­setzt waren oder nicht.

Sind dagegen bisher nur Nachzah­lungs­zinsen festge­setzt worden, sind diese im Rahmen der verfah­rens­recht­li­chen Möglich­keiten auf Basis der Neure­ge­lungen neu zu berechnen und damit herab­zu­setzen. In einem Misch­fall (abwech­selnd Nachzah­lungs- und Erstat­tungs­zinsen oder umgekehrt) ist die Vertrau­ens­schutz­re­ge­lung (§ 176 AO) anzuwenden.

Bei einem Inkraft­treten der Neure­ge­lung nach dem 31.7.2022 (auch in Form eines bedingten Inkraft­tre­tens) wäre die vom BVerfG bis zum 31. Juli 2022 gefor­derte rückwir­kende Neure­ge­lung des Zinssatzes der Verzin­sung nach § 233a AO für Verzin­sungs­zeit­räume ab dem 1. Januar 2019 nicht mehr möglich. Das heißt, es dürfen dann rückwir­kend keine Zinsen festge­setzt werden. Es ist daher davon auszu­gehen, dass das „Zweite Gesetz zur Änderung der Abgaben­ord­nung und des Einfüh­rungs­ge­setzes zur Abgaben­ord­nung“ noch vor diesem Termin im Bundes­ge­setz­blatt veröf­fent­licht wird.

Zinsfest­set­zungen nach § 233a AO für Verzin­sungs­zeit­räume ab dem 1. Januar 2019 sollen nach Absatz 16 aller­dings ab dem Inkraft­treten der Neure­ge­lungen weiterhin „vorläufig“ ausge­setzt werden können, solange die techni­schen und organi­sa­to­ri­schen Voraus­set­zungen für die Anwen­dung des neuen Rechts noch nicht vorliegen. Die ausge­setzten Zinsfest­set­zungen sind aber nachzu­holen. Die noch offenen Zinsfest­set­zungen werden rückwir­kend angepasst und alle neuen oder ausge­setzten Zinsfest­set­zungen nach neuem Recht durch­ge­führt oder nachge­holt.

Quelle: AO | Gesetz­liche Regelung | Zweites Gesetz zur Änderung der Abgaben­ord­nung | 23-06-2022