Allein der Umstand, dass Software, die zum Schreiben der Rechnungen einge­setzt wurde, ausweis­lich der Programm­be­schrei­bung die Rechnungen zwar automa­tisch fortlau­fend numme­riert, jedoch die Löschung bzw. Änderung einzelner Rechnungen ermög­licht, ohne dies zu dokumen­tieren, recht­fer­tigt noch keine Hinzu­schät­zung. Die Grund­sätze, die für Kassen­sys­teme entwi­ckelt worden sind, sind insoweit nicht übertragbar.

Praxis-Beispiel:
Im Rahmen einer Betriebs­prü­fung stellte die Prüferin fest, dass der Kläger eine Software zum Schreiben der Rechnungen einge­setzt hat, die (so die Prüferin) ein Daten­ver­ar­bei­tungs­system darstelle. Ausweis­lich der Programm­be­schrei­bung erfolge eine automa­tisch fortlau­fende Numme­rie­rung der hiermit erstellten Rechnungen. Die Löschung einzelner Rechnungen sei möglich und werde durch die Software nicht dokumen­tiert. Der Steuer­be­rater hat die laufenden Aufzeich­nungen, die laufenden Buchungen, die Einnahmen-Überschuss-Rechnungen und die Jahres­ab­schlüsse mittels der Buchfüh­rungs­soft­ware DATEV durch­ge­führt.

Die Prüferin stellte fest, dass zu zwei Rechnungen keine Erlöse verbucht worden seien. Weder die Rechnungen noch eine Proto­kol­lie­rung der Vorgänge liege hierzu vor. Darüber hinaus sei eine Rechnungs­nummer doppelt vergeben und händisch geändert worden. Da eine „Unver­lier­bar­keit“ der Rechnungen bzw. Daten durch die einge­setzte Software nicht gewähr­leistet sei, liege ein erheb­li­cher formeller Mangel der Aufzeich­nungen des Klägers vor, weshalb die Finanz­be­hörde zur Schät­zung der Besteue­rungs­grund­lagen befugt sei.

Das Finanz­ge­richt hat entschieden, dass das Finanzamt nicht berech­tigt war, einen pauschalen Sicher­heits­zu­schlag zu den Umsätzen hinzu­zu­schätzen. Es fehlt insoweit bereits an der Schät­zungs­be­fugnis dem Grunde nach. Die Finanz­be­hörde darf die Besteue­rungs­lagen nur schätzen, soweit sie diese nicht ermit­teln oder berechnen kann. Das ist insbe­son­dere der Fall, wenn die Buchfüh­rung oder die Aufzeich­nungen der Besteue­rung nicht zugrunde gelegt werden können. In diesem Fall liegen keine hinrei­chenden Mängel in den Aufzeich­nungen des Klägers vor, die eine Schät­zung recht­fer­tigen. 

Konkrete materi­elle Mängel in den Aufzeich­nungen des Klägers wurden nicht festge­stellt und sind auch aus den vorlie­genden Unter­lagen nicht ersicht­lich. Im Termin zur mündli­chen Verhand­lung hat auch das Finanzamt dies nochmals ausdrück­lich bestä­tigt. Überdies ist für das Gericht vollkommen unver­ständ­lich, warum das Finanzamt das bloße Schreiben von Rechnungen mit der Software „Verwal­tungs­scout-Business Edition“ anders behan­delt, als wenn die Rechnungen mit MS Word bzw. MS Excel geschrieben worden wären.

Quelle: Finanz­ge­richte | Urteil | FG Nieder­sachsen, 11 K 87/20 | 02-06-2021