Nach § 67 EStG ist das Kinder­geld schrift­lich zu beantragen. Schrift­lich bedeutet nicht, dass eine gesetz­liche Verpflich­tung besteht, den Antrag eigen­händig zu unter­schreiben. Das heißt, dass die Dienst­an­wei­sung des Bundes­zen­tral­amts für Steuern zum Kinder­geld nach dem Einkom­men­steu­er­ge­setz 2023 (DA-KG 2023), wonach der Kinder­geld­an­trag unter­schrieben werden muss, rechts­widrig ist. Der BFH hat klarge­stellt, dass an die Form eines Kinder­geld­an­trags keine hohen Anfor­de­rungen zu stellen sind, weil das Kinder­geld dazu dient, die Familie zu fördern und die Steuer­frei­heit des Existenz­mi­ni­mums zu wahren.

Praxis-Beispiel:
Die Klägerin streitet mit der Famili­en­kasse darüber, ob diese zur Zahlung von Kinder­geld für deren Kinder für die Monate Mai 2018 bis einschließ­lich April 2019 verpflichtet ist. Entschei­dend hierfür ist, ob der Kinder­geld­an­trag, den die Mutter am 16.7.2019 per E-Mail gestellt hat, formwirksam war. Vor dem 18.7.2019 war der Anspruch auf Kinder­geld und nach dem 18.7.2019 der Anspruch auf Auszah­lung des Kinder­gelds auf die letzten sechs Kalen­der­mo­nate vor Beginn des Monats begrenzt, in dem der Antrag auf Kinder­geld einge­gangen ist (§ 66 Abs. 3 EStG). Am 16.7.2019 schrieb die Klägerin an die Famili­en­kasse, dass sie seit Mai 2018 kein Kinder­geld erhalten habe. Hierbei nannte sie die bis April 2018 zutref­fende Kinder­geld­nummer. In der E-Mail, in der sie unter anderem ihren Namen, ihre Adresse und ihre Telefon­nummer angegeben hatte, beanstan­dete sie, ab Mai 2018 keine Kinder­geld­zah­lung mehr erhalten zu haben.

Hierauf teilte ihr die Famili­en­kasse mit, dass ihre Kinder nicht mehr im Haushalt des bishe­rigen Kinder­geld­be­rech­tigten lebten und die Kinder­geld­fest­set­zung ihm gegen­über aufge­hoben worden sei. Da die Kinder in ihrem Haushalt lebten, sei von ihr ein Antrag zu stellen. Über ihren Anspruch auf Kinder­geld könne noch nicht (endgültig) entschieden werden, weil unter anderem noch die Vorlage eines Antrags sowie der jewei­ligen Anlage Kind erfor­der­lich seien. Sofern bis zum 29.8.2019 keine Antwort erfolge, werde der Antrag auf Kinder­geld ab Mai 2018 abgelehnt. Die Klägerin übersandte mit Schreiben vom 22.08.2019 eine Vollmacht, aber keine weiteren Unter­lagen.

Bis einschließ­lich dem 9.12.2020 konnte ein Kinder­geld­an­trag auch mit einer einfa­chen E-Mail ohne Beifü­gung des amtli­chen Vordrucks im PDF gestellt werden, selbst wenn sie nur einfach und nicht elektro­nisch quali­fi­ziert signiert war, also keine Unter­schrift und kein elektro­nisch erstelltes Unter­schrifts­sur­rogat enthielt. Es war auch nicht notwendig, dass der Berech­tigte ausdrück­lich einen "Antrag" stellte. Es genügte, dass sich dies dem Text durch Ausle­gung entnehmen ließ. Dabei ist grund­sätz­lich davon auszu­gehen, dass der Bürger dieje­nige Verfah­rens­er­klä­rung abgeben will, die erfor­der­lich ist, um zu dem erkennbar angestrebten Erfolg zu kommen.

Quelle: BFH | Urteil | III R 38/21 | 11-10-2023