Für ein minder­jäh­riges Kind besteht nur dann Anspruch auf Kinder­geld, wenn es seinen Inlands­wohn­sitz in der Wohnung eines oder beider Eltern­teile hat. Hält sich ein zunächst im Inland wohnhaftes minder­jäh­riges Kind zu Ausbil­dungs­zwe­cken für mehr als ein Jahr außer­halb des Gebietes der EU und des EWR auf, kommt es auf Folgendes an:

  • Das Kind muss seinen Inlands­wohn­sitz in der Wohnung eines oder beider Eltern­teile beibe­halten.
  • Das ist nur der Fall, wenn in dieser Wohnung geeig­nete Räume für das Kind zum dauer­haften Wohnen zur Verfü­gung stehen.
  • Entschei­dend ist, dass das Kind diese objektiv jeder­zeit nutzen kann und tatsäch­lich mit einer gewissen Regel­mä­ßig­keit auch tatsäch­lich nutzt.
  • Eine Beibe­hal­tung des Inlands­wohn­sitzes kommt im Regel­fall nur dann in Betracht, wenn das Kind diese Wohnung zumin­dest zum überwie­genden Teil der ausbil­dungs­freien Zeiten tatsäch­lich nutzt.

Praxis-Beispiel:
Die Familie lebte mit ihren beiden Kindern zunächst in Deutsch­land. Die Kinder besuchten Kinder­garten und Grund­schule in Deutsch­land. Damit die Kinder die arabi­sche Sprache lernten, sollten sie bei ihren Großel­tern im Ausland leben und dort zur Schule gehen. Anfang September 2015 reisten die Kinder in Beglei­tung der Mutter aus Deutsch­land aus. Mutter und Kinder hielten sich in diesem Zeitraum größten­teils im Ausland auf, unter­bro­chen nur durch kurze Aufent­halte in Deutsch­land.

Der Kläger gab in 2015 die bisher mit der Familie bewohnte Wohnung auf und verzog in eine nur etwa 200 Meter entfernte Wohnung. Im Juni 2017 kehrten die Kinder nach Deutsch­land zurück und nahmen den Schul­be­such wieder auf. Die Familie zog in 2017 in eine wiederum in unmit­tel­barer Nähe befind­liche Wohnung ein. Am 26.01.2016 beantragte der Kläger Kinder­geld, wobei er als Adresse der Kinder die Anschrift der Großel­tern im Ausland angab. Die Famili­en­kasse hat einen inlän­di­schen Wohnsitz der Kinder des Klägers verneint und lehnte deshalb die Kinder­geld­an­träge ab.

Der BFH hat entschieden, dass die Feststel­lungen des Finanz­ge­richts nicht ausrei­chen, um abschlie­ßend beurteilen zu können, ob die Kinder des Klägers ihren Wohnsitz im Inland aufge­geben oder beibe­halten haben.

Das Finanz­ge­richt hätte klären müssen, ob bzw. wann die Kinder in der vom Kläger bezogenen Zwischen­woh­nung einen Wohnsitz begründet haben und ob in der Wohnung auch für die Kinder zum dauer­haften Wohnen geeig­nete Räume zur Verfü­gung standen. Ebenso wurde nicht festge­stellt, wie diese Wohnung aufge­teilt und ausge­stattet war und wie sich die Wohnver­hält­nisse bis zur Ausreise der Kinder und während des Inlands­auf­ent­halts der Kinder darstellten. Falls die Kinder in der Zwischen­woh­nung keinen Wohnsitz begründet haben, würde es an einem inlän­di­schen Wohnsitz fehlen. Das Finanz­ge­richt hat die fehlenden tatsäch­li­chen Feststel­lungen zum Vorliegen eines inlän­di­schen Wohnsitzes im zweiten Rechts­gang nachzu­holen. Davon hängt die Gewäh­rung des Kinder­geldes ab.

Quelle: BFH | Urteil | III R 12/20 | 27-04-2022