Das festge­setzte Kinder­geld kann nur rückwir­kend für 6 Monate vor Beginn des Monats ausge­zahlt werden, in dem der Antrag bei der Kinder­geld­kasse einge­gangen ist (§ 70 Abs. 1 Satz 2 EStG). Die Regelung ist verfas­sungs­recht­lich nicht zu beanstanden.

Praxis-Beispiel:
Die Klägerin hatte für ihren Sohn Kinder­geld bezogen, weil er sich in Ausbil­dung befand. Die Famili­en­kasse hob die Kinder­geld­fest­set­zung ab Februar 2017 auf, weil sie eine Mittei­lung über das Ende der Ausbil­dung im Januar 2017 erhalten hatte. Mit Antrag vom 29.07.2019, der bei der zustän­digen Famili­en­kasse am 30.7.2019 einge­gangen ist, beanspruchte die Klägerin rückwir­kend Kinder­geld, weil ihr Sohn seit 2014 ein ausbil­dungs­be­glei­tendes Verbund­stu­dium absol­viert habe. Die Famili­en­kasse setzte das Kinder­geld mit Bescheid vom 26.8.2019 antrags­gemäß fest und wies im Bescheid darauf hin, dass eine Auszah­lung des festge­setzten Kinder­gelds erst ab Januar 2019, d.h. für die letzten sechs Monate vor Antrag­stel­lung, erfolgen könne. Die Klägerin legte erfolglos Einspruch ein.

§ 70 Abs. 1 Satz 2 EStG regelt, dass das festge­setzte Kinder­geld nur rückwir­kend für die letzten 6 Monate vor Beginn des Monats, in dem der Antrag auf Kinder­geld einge­gangen ist, ausge­zahlt werden kann (= Ausschluss­frist). Diese Ausschluss­frist betrifft nicht die Festset­zung des Kinder­gelds. 

Die rückwir­kende Begren­zung der Kinder­geld­zah­lung auf 6 Monate ist nicht verfas­sungs­widrig, weil kein Verstoß gegen das Gebot der Steuer­frei­stel­lung des Existenz­mi­ni­mums des Kindes vorliegt. Die Gewäh­rung von Kinder­geld und Kinder­frei­be­trägen sind sich ergän­zende Regelungen. Führen die Kinder­frei­be­träge zu einer Entlas­tung, die über der Höhe des Kinder­gelds liegt, wird das Kinder­geld angerechnet. Bei dieser Günsti­ger­prü­fung wird nicht festge­setztes oder nicht gezahltes Kinder­geld nur in Höhe von 0 € berück­sich­tigt. Das heißt, dass ein festge­setzter und nicht ausge­zahlter Anspruch auf Kinder­geld bei der Prüfung der Steuer­frei­stel­lung und der Hinzu­rech­nung unberück­sich­tigt bleibt. 

Konse­quenz: Da die Steuer­frei­stel­lung das Existenz­mi­ni­mums des Kindes sicher­ge­stellt ist, ist die rückwir­kende Begren­zung der Kinder­geld­zah­lung auf 6 Monate verfas­sungs­gemäß.

Quelle: BFH | Beschluss | III R 21/21 | 21-09-2022