Die Gewäh­rung von Kinder­geld wegen einer Berufs­aus­bil­dung setzt voraus, dass das Kind aktiv an seiner Ausbil­dung teilnimmt. Unter­bleiben die Ausbil­dungs­maß­nahmen im Rahmen des fortbe­stehenden Ausbil­dungs­ver­hält­nisses wegen einer langfris­tigen Erkran­kung des Kindes, ist kein Kinder­geld aufgrund einer Berufs­aus­bil­dung zu gewähren. Es kann jedoch wegen der Erkran­kung des Kindes ein Anspruch auf Kinder­geld wegen Behin­de­rung in Betracht kommen.

Praxis-Beispiel:
Ein junger Erwach­sener hatte während seiner Ausbil­dung einen schweren Unfall mit Schädel­ba­sis­bruch und Schädel-Hirn-Trauma erlitten. Nach dem Kranken­haus­auf­ent­halt hat er verschie­dene Reha-Maßnahmen durch­laufen, von denen die letzte 17 Monate nach dem Unfall begann. Das Finanz­ge­richt sprach Kinder­geld für die ersten acht Monate nach dem Unfall zu, weil das Ausbil­dungs­ver­hältnis fortbe­standen habe und der Wille, die Ausbil­dung baldmög­lichst fortzu­setzen, in mehrfa­cher Hinsicht belegt sei.

Der BFH hat die Angele­gen­heit zur weiterer Sachauf­klä­rung an das Finanz­ge­richt zurück­ver­wiesen. Ein Kind befindet sich nur dann in einer Berufs­aus­bil­dung, wenn es sein Berufs­ziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernst­haft und nachhaltig darauf vorbe­reitet. Eine vorüber­ge­hende Unter­bre­chung der Ausbil­dung, z. B. wegen einer Erkran­kung, ist unschäd­lich.

Wird die Erkran­kung mit hoher Wahrschein­lich­keit länger als 6 Monate andauern, kann das Kind nicht mehr wegen seiner Ausbil­dung berück­sich­tigt werden. Das Finanz­ge­richt muss nun klären, ob die Dauer der Erkran­kung von mehr als 6 Monaten bereits in den ersten Monaten nach dem Unfall mit hoher Wahrschein­lich­keit erwartet wurde. Falls zunächst eine schnel­lere Genesung möglich erschien, könnte der Kinder­geld­an­spruch, für diesen Zeitraum noch wegen des fortbe­stehenden Ausbil­dungs­ver­hält­nisses begründet sein.

Eine Berück­sich­ti­gung des Kindes wegen Ausbil­dung kommt nicht in Betracht, sobald mit hoher Wahrschein­lich­keit zu erwarten ist, dass ein langwie­riger Heilungs­pro­zess vorliegt, der länger als 6 Monate dauernd wird. Sollte dies der Fall sein, ist zu prüfen, ob das Kind behin­de­rungs­be­dingt außer­stande war, sich selbst zu unter­halten und deshalb aufgrund seiner Behin­de­rung zu berück­sich­tigen ist.

Quelle: BFH | Urteil | III R 43/20 | 14-12-2021