Ist eine Gemeinde verpflichtet, ein Grund­stück zu erschließen, dann hat der Erwerber beim Erwerb dieses Grund­stücks regel­mäßig nur die Grund­er­werb­steuer auf den Preis für das unerschlos­sene Grund­stück zu zahlen. Dies gilt auch dann, wenn der Erwerber sich vertrag­lich verpflichtet hat, für die künftige Erschlie­ßung einen bestimmten Betrag an die Gemeinde zu zahlen.

Praxis-Beispiel:
Die Klägerin erwarb von der erschlie­ßungs­pflich­tigen Gemeinde einen Mitei­gen­tums­an­teil an einem unbebauten und unerschlos­senen Grund­stück. In dem Kaufver­trag waren Entgelte für das Grund­stück und für die künftige Erschlie­ßung jeweils geson­dert ausge­wiesen. Das Finanzamt berech­nete die Grund­er­werb­steuer von der Summe aus dem Kaufpreis und den vertrag­lich verein­barten künftigen Erschlie­ßungs­kosten. Die Klägerin beantragte, dass nur der Kaufpreis für das unerschlos­sene Grund­stück zugrunde gelegt wird.

Der BFH hat entschieden, dass ein solcher Vertrag regel­mäßig aufzu­teilen ist in

  • einen privat­recht­li­chen Vertrag über den Erwerb des unerschlos­senen Grund­stücks und
  • einen öffent­lich-recht­li­chen Vertrag über die Ablösung des Erschlie­ßungs­bei­trags.

Die hier getrof­fene Ablösungs­ver­ein­ba­rung ist nur öffent­lich-recht­lich zulässig. Als privat­recht­liche Verein­ba­rung wäre sie nichtig. Ist ein Grund­stück im Zeitpunkt des Abschlusses des Grund­stücks­kauf­ver­trags noch nicht erschlossen, ist im Wege der Ausle­gung der getrof­fenen Verein­ba­rungen zu ermit­teln, was Gegen­stand der Übereig­nungs­ver­pflich­tung ist – und zwar nach zivil­recht­li­chen Maßstäben.

Der Verkauf eines noch zu erschlie­ßenden Grund­stücks durch die erschlie­ßungs­pflich­tige Gemeinde ist nicht zu verwech­seln mit dem Verkauf durch einen privaten Erschlie­ßungs­träger. Ist ein Grund­stück im Zeitpunkt des Abschlusses des Grund­stücks­kauf­ver­trags bereits tatsäch­lich erschlossen, kann Gegen­stand eines solchen Vertrags nur das erschlos­sene Grund­stück sein. In diesem Fall gehören die im Kaufver­trag ausge­wie­senen Kosten für die Erschlie­ßung grund­sätz­lich auch dann zu der Gegen­leis­tung, wenn der Veräu­ßerer eine Gemeinde ist.

Quelle: BFH | Urteil | II R 32/20 | 27-09-2022