Sind Buchfüh­rung und Aufzeich­nungen formell ordnungs­gemäß, führen materi­elle Mängel nur dann zu einer Schät­zungs­be­fugnis des Finanz­amts, wenn diese mit an Sicher­heit grenzender Wahrschein­lich­keit sachlich unrichtig sind. Die objek­tive Beweis­last für steuer­erhö­hende Tatsa­chen trägt das Finanzamt. Die bei Überschuss­rech­nern zuläs­sige Papier­form erfüllt die formellen Voraus­set­zungen, zu denen er verpflichtet war.

Praxis-Beispiel:
Die Buchfüh­rung des Antrag­stel­lers ist bei summa­ri­scher Prüfung bereits deswegen mit formellen Mängeln behaftet, weil er die Einzel­auf­zeich­nungen der beiden einge­setzten Kassen nicht vorge­legt hat. Zudem habe man feststellen können, dass nicht sämtliche erzielten Umsätze erklärt wurden. Bei Einsatz eines elektro­ni­schen Kassen­sys­tems bestehe eine Einzel­auf­zeich­nungs­pflicht. Einzel­po­si­tionen dürften nicht zusam­men­ge­fasst oder verdichtet werden. Die elektro­ni­schen Einzel­auf­zeich­nungen sind aufzu­be­wahren und zur Auswer­tung zur Verfü­gung zu stellen. Der Antrag­steller habe auch einge­räumt, dass die im Mai 2016 erklärten Einnahmen von 16.808,00 € zu niedrig und damit falsch seien.

Bei summa­ri­scher Prüfung ist eine Schät­zungs­be­fugnis des Finanz­amts zu bejahen. Auch die vom Finanzamt gewählte Schät­zungs­me­thode ist aus Sicht des Finanz­ge­richts nicht zu beanstanden. Ledig­lich hinsicht­lich der Höhe des vom Finanzamt angesetzten durch­schnitt­li­chen Tages­er­löses hält der Senat für Zwecke des Ausset­zungs­ver­fah­rens gering­fü­gige Korrek­turen der Zahlen und die Berech­nung eines Sicher­heits­ab­schlags für erfor­der­lich. Für eine darüber hinaus­ge­hende Ausset­zung der Vollzie­hung wegen der vom Antrag­steller behaup­teten unter­blie­benen Mittei­lung der Besteue­rungs­grund­lagen besteht kein Anlass.
Die Vorschrift des § 4 Abs. 3 EStG selbst normiert keine Verpflich­tung zur Aufzeich­nung der Betriebs­ein­nahmen oder Betriebs­aus­gaben (vgl. etwa BFH-Urteil vom 15.4.1999 IV R 68/98, BStBl II 1999, 481). Aus den allge­meinen Grund­sätzen der Feststel­lungs­last folgt insoweit ledig­lich, dass Steuer­pflich­tige, die den Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermit­teln, verpflichtet sind, die ihrer Gewinn­ermitt­lung zugrun­de­lie­genden Belege aufzu­be­wahren (vgl. BFH-Beschluss vom 7.2.2008 X B 189/07).

Nach Maßgabe der finanz­ge­richt­li­chen Recht­spre­chung sind die folgenden Möglich­keiten für eine ordnungs­mä­ßige Aufzeich­nung von Barein­nahmen in Fällen der Einnahmen-Überschuss-Rechnung anerkannt:

  1. eine geord­nete Beleg­ab­lage mit Einzel­auf­zeich­nungen der Erlöse;
  2. Verzicht sowohl auf Einzel­auf­zeich­nungen als auch auf ein tägli­ches Auszählen des Kassen­be­stands, aber Aufbe­wah­rung der Ursprungs­auf­zeich­nungen und Abgleich von Soll- und Ist-Bestand der Kasse "in gewissen Abständen" (insbe­son­dere bei der Nutzung von Regis­trier­kassen);
  3. Verzicht sowohl auf Einzel­auf­zeich­nungen als auch auf die Aufbe­wah­rung von Ursprungs­be­legen, aber tägli­ches tatsäch­li­ches Auszählen der Kasse, das in fortlau­fenden Kassen­be­richten dokumen­tiert wird.

Eine Verpflich­tung zur Ferti­gung von Aufzeich­nungen ergibt sich aus den umsatz­steu­er­li­chen Aufzeich­nungs­pflichten. Danach müssen u.a. die verein­barten bzw. die verein­nahmten Entgelte für die vom Unter­nehmer ausge­führten Liefe­rungen und sonstigen Leistungen zu ersehen sein. Die Aufzeich­nungs­ver­pflich­tung aus einem Steuer­ge­setz wirkt unmit­telbar auch für andere Steuer­ge­setze, also auch für das EStG.

Die vom Finanzamt gewählte Schät­zungs­me­thode, einen durch­schnitt­li­chen Tages­erlös zu ermit­teln und diesen auf die Streit­jahre hochzu­rechnen, sieht das Finanz­ge­richt grund­sätz­lich als plausibel und schlüssig an. Eine solche Hochrech­nung vermag ein vernünf­tiges und der Wirklich­keit entspre­chendes Ergebnis zu erzielen.

Quelle: Finanz­ge­richte | Urteil | FG Düssel­dorf, 5 V 1048/23 A (A,G,U,F) | 12-09-2023