Bei Gebäuden ist die Abschrei­bung grund­sätz­lich nach gesetz­lich festge­schrie­benen Prozent­sätzen zu ermit­teln. Den Prozent­sätzen liegt jeweils eine typisierte Nutzungs­dauer zugrunde, die mit der tatsäch­li­chen Nutzungs­dauer im Zeitpunkt des Erwerbs nicht überein­stimmen muss. Deshalb kann anstelle der Abschrei­bung nach den gesetz­lich festge­schrie­benen Prozent­sätzen die Abschrei­bung nach der tatsäch­li­chen Nutzungs­dauer eines Gebäudes vorge­nommen werden.

Praxis-Beispiel:
Die Klägerin machte bei ihren Einkünften aus Vermie­tung und Verpach­tung die Abschrei­bung von den Anschaf­fungs­kosten der Gebäude geltend, wobei sie davon ausging, dass die tatsäch­liche Nutzungs­dauer der Gebäude nur noch 6 Jahre betrage. Das Finanzamt berück­sich­tigte die Abschrei­bung nur in Höhe des typisierten festen Satzes von 2%, was einer Nutzungs­dauer von 50 Jahren entspricht. Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin, dass die Abschrei­bung nach der kürzeren tatsäch­li­chen Nutzungs­dauer der Gebäude abzuziehen sei. Hierzu holte das Finanz­ge­richt das Gutachten eines öffent­lich bestellten und verei­digten Sachver­stän­digen für die Wertermitt­lung von bebauten und unbebauten Grund­stü­cken ein. Der Sachver­stän­dige ermit­telte in seinem Gutachten nach Maßgabe der Immobi­li­en­wert­ermitt­lungs­ver­ord­nung für das Gesamt­ob­jekt eine gewich­tete tatsäch­liche Restnut­zungs­dauer von 19 Jahren.

Der BFH teilt die Auffas­sung des Finanz­ge­richts, dass die Gebäu­de­ab­schrei­bung nicht über 50 Jahre, sondern über nur 19 Jahre zu verteilen ist. Die Entschei­dung des Finanz­ge­richts, die Gebäude-Abschrei­bung nicht über 50 Jahre, sondern über nur 19 Jahre zu verteilen, ist revisi­ons­recht­lich nicht zu beanstanden.

Nutzungs­dauer ist der Zeitraum, in dem ein Gebäude voraus­sicht­lich seiner Zweck­be­stim­mung entspre­chend genutzt werden kann. Die Darle­gungs- und Feststel­lungs­last für eine kürzere tatsäch­liche Nutzungs­dauer trägt der Steuer­pflich­tige. Das bedeutet, dass die Nutzungs­dauer zu schätzen ist, wobei das Ergebnis der Schät­zung nur eine größt­mög­liche Wahrschein­lich­keit sein kann. Die Schät­zung ist nur dann zu verwerfen, wenn sie eindeutig außer­halb des angemes­senen Schät­zungs­rah­mens liegt.

Der Steuer­pflich­tige kann sich bei der Ermitt­lung einer kürzeren tatsäch­li­chen Nutzungs­dauer jeder geeig­neten sachver­stän­digen Methode bedienen. Die gewählte Methode muss über die maßgeb­li­chen Faktoren der Nutzungs­dauer Aufschluss geben, z. B. über den techni­schen Verschleiß, die wirtschaft­liche Entwer­tung und recht­liche Nutzungs­be­schrän­kungen. Der BFH hat daher ausdrück­lich anerkannt, dass auch eine Gutach­ten­me­thode, durch die die Restnut­zungs­dauer eines Gebäudes modell­haft wirtschaft­lich bestimmt wird, als Nachweis genügen kann. Die sachver­stän­dige Ermitt­lung der Restnut­zungs­dauer nach der Immobi­li­en­wert­ermitt­lungs­ver­ord­nung ist eine gutach­ter­lich anerkannte Schät­zungs­me­thode, auch wenn das BMF dies im Schreiben vom 22.02.2023 (IV C 3 - S 2196/22/10006 :005) für den Nachweis einer kürzeren tatsäch­li­chen Nutzungs­dauer nicht anerkennt.

Quelle: BFH | Urteil | IX R 14/23 | 22-01-2024