Nach der die Neuord­nung des steuer­li­chen Reise­kos­ten­rechts ab 2014 wird bei Arbeit­neh­mern die erste Tätig­keits­stätte vorrangig anhand der arbeits- oder dienst­recht­li­chen Zuord­nung durch den Arbeit­geber bestimmt. Entspre­chend ist die erste Betriebs­stätte eines Unter­neh­mers zu bestimmen. Das heißt, dass (zum Zwecke der steuer­li­chen Gleich­be­hand­lung mit einem Arbeit­nehmer) bei einem Unter­nehmer, der im Wege eines Dienst­ver­trags beschäf­tigt ist und der nicht über eine eigene Betriebs­stätte verfügt, der Ort, an dem er die geschul­dete Leistung zu erbringen hat, als erste Betriebs­stätte angesehen werden muss. Das ist in aller Regel der Betrieb des Auftrag­ge­bers.

Praxis-Beispiel:
Der Kläger war zunächst als Angestellter beim Abbruch­un­ter­nehmen seines Vaters tätig. Seit 2010 führte er selbst Abbruch- und Reini­gungs­ar­beiten als Ein-Mann-Betrieb auf dem Gelände seines (einzigen) Auftrag­ge­bers aus. Diesen Kunden hatte er von seinem Vater "übernommen". Neben eigenen Geräten setzte der Kläger Maschinen und Fahrzeuge seines Vaters ein. Die Fahrten zum Gelände seines Auftrag­ge­bers unter­nahm der Kläger von seiner Wohnung aus. Für diese Fahrten nutzte er zum Teil seinen im Betriebs­ver­mögen befind­li­chen PKW. Im Übrigen erfolgten die Fahrten mit einem LKW seines Vaters. Das Finanzamt ging davon aus, dass sämtliche Fahrten mit dem Firmen-PKW des Klägers als Fahrten zwischen Wohnung und erster Betriebs­stätte zu berück­sich­tigen seien. Eine Abrech­nung nach Reise­kos­ten­grund­sätzen sei daher nicht möglich.

Der Kläger machte geltend, dass die ortsfeste betrieb­liche Einrich­tung seines Auftrag­ge­bers zwar als seine Betriebs­stätte einge­stuft werden könne. Da er aber nicht über langfris­tige Verträge an seinen Auftrag­geber gebunden gewesen sei, habe es am Merkmal der Dauer­haf­tig­keit gefehlt. Als maßge­bende erste Betriebs­stätte sei daher sein Firmen­sitz auf dem Gelände seines Vaters anzusehen, weil dieser seiner Wohnung näher gelegen sei.

Der BFH hat entschieden, dass ein Gewer­be­trei­bender, der an einer ortsfesten betrieb­li­chen Einrich­tung seines Auftrag­ge­bers fortdau­ernd tätig wird, dort eine Betriebs­stätte begründet. Steht nach dem Gesamt­bild der Verhält­nisse die Aufga­ben­er­le­di­gung an der ortsfesten betrieb­li­chen Einrich­tung seines Auftrag­ge­bers sowohl nach inhalt­li­chen als auch nach zeitli­chen Krite­rien eindeutig im Mittel­punkt der betrieb­li­chen Arbeit, dann ist die ortsfeste betrieb­liche Einrich­tung seines Auftrag­ge­bers seine erste Betriebs­stätte. Konse­quenz ist, dass für die Fahrten mit dem Firmen-PKW zur ortsfesten betrieb­li­chen Einrich­tung seines Auftrag­ge­bers ledig­lich die Entfer­nungs­pau­schale anzusetzen ist.

Dass der Kläger nur für ein Kalen­der­jahr tätig werden sollte, ist unbeacht­lich, weil es bei einer Zuord­nung für die gesamte Dauer des Dienst­ver­hält­nisses nicht auf den zeitli­chen Umfang ankommt (§ 9 Abs. 4 Satz 3 Alter­na­tive 2 EStG). Somit kommt es auch nicht darauf an, ob bei mehreren Betriebs­stätten die erste Betriebs­stätte anhand quanti­ta­tiver Merkmale zu bestimmen ist. Das Finanz­ge­richt ist nämlich davon ausge­gangen, dass nach dem Gesamt­bild der Verhält­nisse die Aufga­ben­er­le­di­gung an der ortsfesten betrieb­li­chen Einrich­tung seines Auftrag­ge­bers sowohl nach inhalt­li­chen als auch nach zeitli­chen Krite­rien eindeutig den Mittel­punkt der betrieb­li­chen Arbeit des Klägers darge­stellt habe.

Konse­quenz: Freiberufler/​Unternehmer dürfen bei der Nutzung eines Firmen­wa­gens für ihre Fahrten zwischen Wohnung und erster Betriebs­stätte nur die Entfer­nungs­pau­schale geltend machen. Der Gewinn muss um die nicht abzieh­baren Aufwen­dungen erhöht werden. Hat der Unter­nehmer mehrere Betriebs­stätten, muss also immer geprüft werden, welche Betriebs­stätte als erste Betriebs­stätte zu behan­deln ist, bei der nur die Entfer­nungs­paus­schale anzusetzen ist.

Quelle: BFH | Urteil | X R 14/19 | 15-02-2022