Bei der Erbschaft­steuer ist für Betriebe der Land- und Forst­wirt­schaft der Liqui­da­ti­ons­wert anzusetzen. Auch Stück­län­de­reien können einen Betrieb der Land- und Forst­wirt­schaft bilden, die als geson­derte wirtschaft­liche Einheit zu bewerten sind. Stück­län­de­reien sind einzelne land- und forst­wirt­schaft­lich genutzte Flächen, bei denen die Wirtschafts­ge­bäude oder die Betriebs­mittel nicht dem Eigen­tümer des Grund und Bodens gehören, sondern am Bewer­tungs­stichtag für mindes­tens 15 Jahre einem anderen Betrieb der Land- und Forst­wirt­schaft zu dienen bestimmt sind.

Praxis-Beispiel:
Die 2015 verstor­bene Erblas­serin war Eigen­tü­merin verschie­dener Grund­stücke, die zum Teil als Acker­land genutzt wurden. Der Kläger ist Allein­erbe. Mit notariell beurkun­detem Vertrag veräu­ßerte er die Grund­stücke 2016 zu einem Gesamt­kauf­preis von 292.000 €. Das Finanzamt stellte den Grund­be­sitz­wert auf den Todestag der Erblas­serin für Zwecke der Erbschaft­steuer geson­dert fest. Es beurteilte die als Acker­land genutzten Flächen als "Betrieb der Land- und Forst­wirt­schaft" und stellte den Wert der wirtschaft­li­chen Einheit mit 238.668 € fest. Für die übrigen Flächen hatte das Finanzamt die Grund­be­sitz­werte in Höhe von insge­samt 95.870 € festge­stellt. Der Kläger beantragte, den Grund­be­sitz­wert für Zwecke der Erbschaft­steuer mit dem niedri­geren gemeinen Wert in Höhe von 196.100 € festzu­stellen.

Der Kläger hat die Grund­stücke fünf Monate nach dem Bewer­tungs­stichtag veräu­ßert, ohne den Veräu­ße­rungs­erlös wieder in einen land- und forst­wirt­schaft­li­chen Betrieb zu inves­tieren. Das Finanzamt hätte danach zu Recht den Liqui­da­ti­ons­wert nach § 166 BewG zur Bewer­tung heran­ge­zogen und dessen Höhe entspre­chend den gesetz­li­chen Bestim­mungen korrekt mit 238.668 € festge­stellt. Der Ansatz eines niedri­geren gemeinen Werts scheidet nach den Feststel­lungen des Finanz­ge­richts vorlie­gend aus. Wird ein Betrieb der Land- und Forst­wirt­schaft inner­halb eines Zeitraums von 15 Jahren nach dem Bewer­tungs­stichtag veräu­ßert, erfolgt die Bewer­tung der wirtschaft­li­chen Einheit grund­sätz­lich mit dem Liqui­da­ti­ons­wert.

Der BFH führt jedoch aus, dass der Kläger nicht nur die Wertfest­stel­lung der Stück­län­de­reien angegriffen hat, sondern auch die Artfest­stel­lung "Betrieb der Land- und Forst­wirt­schaft". Der Kläger hat sich ausdrück­lich gegen die Annahme eines land- und forst­wirt­schaft­li­chen Betriebs gewandt. Damit wird deutlich, dass er auch die Artfest­stel­lung angreifen wollte. Das ist der Grund dafür, dass die Revision begründet ist. Die Sache ist zur ander­wei­tigen Verhand­lung und Entschei­dung an das Finanz­ge­richt zurück­zu­ver­weisen. Der BFH kann auf Grund­lage der Feststel­lungen des Finanz­ge­richts nicht abschlie­ßend entscheiden, ob auf den Kläger tatsäch­lich ein Betrieb der Land- und Forst­wirt­schaft überge­gangen ist. Von der Beant­wor­tung dieser Frage hängt jedoch ab, nach welchen Vorschriften die Bewer­tung durch­zu­führen ist und an welche Voraus­set­zungen der Nachweis des niedri­geren gemeinen Werts geknüpft ist.

Einen Betrieb der Land- und Forst­wirt­schaft hat derje­nige inne, der Land- und Forst­wirt­schaft betreibt. Land- und Forst­wirt­schaft ist die planmä­ßige Nutzung der natür­li­chen Kräfte des Bodens zur Erzeu­gung von Pflanzen und Tieren sowie die Verwer­tung der dadurch selbst gewon­nenen Erzeug­nisse. Diese Vorschrift knüpft an eine bestimmte Nutzung des Bodens an und ist somit tätig­keits­be­zogen. Die land- und forst­wirt­schaft­liche Zweck­be­stim­mung für den Betrieb eines Dritten reicht nicht aus, beim Eigen­tümer land- und forst­wirt­schaft­li­ches Vermögen zu begründen. Dies wider­spräche dem tätig­keits­be­zo­genen Betriebs­be­griff.

Stück­län­de­reien sind einzelne land- und forst­wirt­schaft­lich genutzte Flächen, bei denen die Wirtschafts­ge­bäude oder die Betriebs­mittel oder beide Arten von Wirtschafts­gü­tern nicht dem Eigen­tümer des Grund und Bodens gehören, sondern am Bewer­tungs­stichtag für mindes­tens 15 Jahre einem anderen Betrieb der Land- und Forst­wirt­schaft zu dienen bestimmt sind. Das Finanz­ge­richt hat insoweit nur festge­stellt, dass die vererbten Grund­stücke teilweise als Acker­land genutzt und zum Bewer­tungs­stichtag für weniger als 15 Jahre zur Nutzung überlassen worden sind. Hieraus ist zu folgern, dass keine Stück­län­de­reien vorlagen. Nicht erkennbar ist, ob die Erblas­serin im Übrigen einen Betrieb der Land- und Forst­wirt­schaft innehatte. Diese Feststel­lung muss nachge­holt werden.

Quelle: BFH | Urteil | II R 39/20 | 15-11-2022