Eine verdeckte Gewinn­aus­schüt­tung liegt vor, wenn Gesell­schafter einer GmbH eine Entschä­di­gungs­zah­lung erhalten, die den Gewer­be­be­trieb der GmbH betrifft. Voraus­set­zung für eine verdeckte Gewinn­aus­schüt­tung ist, dass der GmbH die Möglich­keit genommen wurde, selbst eine Entschä­di­gungs­ver­ein­ba­rung zu treffen. Das heißt: Eine verdeckte Gewinn­aus­schüt­tung ist nur anzunehmen, wenn der GmbH ein eigener gesetz­li­cher Entschä­di­gungs­an­spruch zugestanden hätte.

Praxis-Beispiel:
Für einen geplanten Ausbau der Bundes­au­to­bahn wurden Grund­stücks­flä­chen benötigt, die von der GmbH für ihr Bauun­ter­nehmen genutzt wurden. Von den 5.314 m², die die GmbH nutzte, wurden 2.914 m² wegen eines drohenden Enteig­nungs­ver­fah­rens an die Bundes­stra­ßen­ver­wal­tung verkauft. Diese Fläche verteilte sich auf zwei Grund­stücks­par­zellen, die unter­schied­li­chen Eigen­tü­mern gehörten. Ein Grund­stück gehörte den Gesell­schaf­tern je zur Hälfte; das andere Grund­stück gehörte einem Gesell­schafter zu 50% und zwei anderen Personen je 25%. Die Grund­stücke wurden der GmbH bisher für deren Betrieb unent­gelt­lich überlassen.

Die Entschä­di­gungs­summe belief sich auf 634.898 €, die sich wie folgt zusam­men­setzte: Finan­zie­rung Mehraus­gaben für Ersatz­be­triebs­flä­chen Eigentum 49.428 €; Mehraus­gaben Ersatz­be­triebs­flä­chen Pacht 14.895 €; Ausbau wieder­ver­wend­barer Betriebs­ein­rich­tungen 15.899 €; Herrichten der Ersatz­be­triebs­flä­chen 231.768 €; Versetzen von Materia­lien und Betriebs­ein­rich­tungen 43.260 €; Mehrwege und erhöhte Ladefahr­zeug­vor­hal­tung 279.648 €.

Die Entschä­di­gungs­summe wurde auf ein privates Konto überwiesen. Die Steuer­erklä­rungen der GmbH enthielten keine Angaben zur Entschä­di­gungs­zah­lung. Das Finanzamt behan­delte die für den Straßen­ausbau gewährte Entschä­di­gungs­zah­lung, die die Gesell­schafter der GmbH für die Grund­stücke erhielten, die ledig­lich von der GmbH genutzt wurden, als verdeckte Gewinn­aus­schüt­tung. Das Finanz­ge­richt ist ebenfalls von einer verdeckten Gewinn­aus­schüt­tung ausge­gangen, weil die Gesell­schafter einen Schaden­er­satz erhalten hätten, der bei der GmbH als dem operativ tätigen Betriebs­un­ter­nehmen durch die Betriebs­ver­la­ge­rung einge­treten sei.

Der BFH hat dem Finanz­ge­richt wider­spro­chen, weil die Gesell­schafter die drohende Enteig­nung ihrer Grund­stücke genutzt haben, um eine privat­au­to­nome Verein­ba­rung mit Deutsch­land abzuschließen. Der Vermö­gens­be­reich der GmbH, der eine verdeckte Gewinn­aus­schüt­tung auslösen könnte, wäre durch den Abschluss dieser Verein­ba­rung nur dann berührt worden, wenn die Gesell­schafter der GmbH die Chance vorent­halten hätten, eine eigene Entschä­di­gungs­ver­ein­ba­rung abzuschließen.

Im vorlie­genden Fall ist es nicht zu einer Enteig­nung gekommen, sondern nur zum Abschluss eines enteig­nungs­be­zo­genen Vertrags. Der GmbH standen somit keine gesetz­li­chen Ansprüche zu, sodass sich auch nicht die Frage stellt, ob der Ersatz­an­spruch der Gesell­schafter auch Schadens­po­si­tionen der GmbH beinhal­tete, die einen Heraus­ga­be­an­spruch begründen könnten. Fazit: Eine verdeckte Gewinn­aus­schüt­tung kann nur dann vorliegen, wenn bei der Durch­füh­rung einer förmli­chen Enteig­nung der Gesell­schafter zusätz­lich auch ein eigener gesetz­li­cher Entschä­di­gungs­an­spruch der GmbH zugestanden hätte. Davon ist aber nicht auszu­gehen.

Die GmbH war bei der Entschä­di­gung nicht als Haupt­be­rech­tigte betei­ligt. Das wäre nur der Fall gewesen, wenn die Enteig­nungs­be­hörde ein eigenes Recht der Klägerin, z. B. ein Nutzungs­recht am Grund­stück, enteignet hätte. Hier ging es aber nur darum, das Grund­ei­gentum der Gesell­schafter zum Zwecke des Straßen­baus zu enteignen. Das Entschä­di­gungs­recht gewährt hier nur dem Haupt­be­rech­tigten den Anspruch auf Entschä­di­gung der Enteig­nungs­fol­ge­schäden.

Die GmbH hätte eine Entschä­di­gung nur unter der Voraus­set­zung erhalten können, wenn ihr das Nutzungs­recht nicht durch ein neues Recht ersetzt worden wäre. Im Streit­fall hat aber die Klägerin ein neues Nutzungs­recht erhalten. Hinzu kommt, dass die GmbH hinsicht­lich der Nutzung der "alten" Grund­stücke keine gesicherte Rechts­po­si­tion hatte.

Quelle: BFH | Urteil | I R 25/19 | 03-05-2022