Behält der Auftrag­geber einen Teil des Honorars ein, weil damit eine Steuer­schuld des Auftrag­neh­mers bezahlt werden soll, führt der Einbe­halt (noch) nicht zu einem Zufluss von Betriebs­ein­nahmen. Bei einer Gewinn­ermitt­lung mithilfe einer Einnahmen-Überschuss-Rechnung tritt der Zufluss erst dann ein, wenn der Auftrag­geber mit dem einbe­hal­tenen Honorar­an­teil eine (Steuer-)Schuld des Auftrag­neh­mers tatsäch­lich erfüllt. Es liegt dann ein abgekürzter Zahlungsweg vor.

Praxis-Beispiel:
Die im Inland wohnende Klägerin war im Rahmen einer selbstän­digen, künst­le­ri­schen Tätig­keit als Discjo­ckey berufs­tätig. Ihr wurden in verschie­denen Staaten der europäi­schen Union (Auslands-)Aufträge vermit­telt. Mit dem Vermittler war verein­bart, dass ihr von ihrem (höheren) Gesamt­ho­norar nur ein Teilbe­trag ("Netto"-Anteil) tatsäch­lich ausge­zahlt wurde. Der verblei­bende Diffe­renz­be­trag war dazu bestimmt, die dortigen in den (Auslands-)Staaten anfal­lenden (Quellen-)Steuern abzugelten.

Die Klägerin hat sich gegen die Einkom­men­steu­er­be­scheide 2010 und 2011 gewendet, weil die im Ausland gezahlten Steuern 
• nicht in ausrei­chendem Maße auf die deutsche Einkom­men­steuer angerechnet worden seien bzw.
• die Einkünfte aus ihrer künst­le­ri­schen Tätig­keit im europäi­schen Ausland nicht in tatsäch­li­cher Höhe besteuert würden, sondern unzutref­fend um einbe­hal­tene Honorar­an­teile erhöht worden sind.

Die unbeschränkt steuer­pflich­tige Klägerin erzielt aus der Tätig­keit als Discjo­ckey Einkünfte aus freibe­ruf­li­cher und somit aus selbstän­diger Arbeit. Nach dem Weltein­kom­mens­prinzip unter­liegen auch die im Ausland erzielten Einkünfte der Einkom­men­steuer. Sie ermit­telte ihre Gewinne mithilfe einer Einnahmen-Überschuss-Rechnung. 

Betriebs­ein­nahmen sind wirtschaft­lich endgültig verein­nahmte Geldzu­gänge. Maßgeb­lich ist insoweit, ob der Steuer­pflich­tige die wirtschaft­liche Verfü­gungs­macht über die jewei­ligen Geldbe­träge endgültig erlangt hat. Die Fällig­keit eines Anspruchs führt (ohne seine Erfül­lung) bei der Ermitt­lung des Gewinns (noch) nicht zu einem Zufluss. Entschei­dend ist allein der unein­ge­schränkte wirtschaft­liche Übergang oder das Erlangen der wirtschaft­li­chen Dispo­si­ti­ons­be­fugnis darüber. Ein Zufluss findet auch dann statt, wenn der Zuwen­dende im Einver­nehmen mit dem Steuer­pflich­tigen auf dessen Rechnung an einen Dritten leistet und damit eine Schuld des Steuer­pflich­tigen tilgt (sog. abgekürzter Zahlungsweg). 

Fazit: Eine Zahlung auslän­di­scher Steuern und deren Anrech­nung auf die deutsche Steuer­schuld nicht bereits dann angenommen werden, wenn die Auftrag­geber des Steuer­pflich­tigen einen Teil des Honorars einbe­halten haben.

Quelle: BFH | Urteil | I R 10/18 | 15-03-2022