Das Oberver­wal­tungs­ge­richt NRW bestä­tigt, dass die Rückfor­de­rungs­be­scheide gegen die drei Kläger für NRW-Sofort­hilfe recht­widrig sind und aufge­hoben werden müssen. Aber! Eine eventu­elle Rückfor­de­rung ist dennoch möglich, sie muss aber anders berechnet werden.

Praxis-Beispiel:
Geklagt hatten drei Selbst­stän­dige, die von den infek­ti­ons­schutz­recht­li­chen Maßnahmen zur Eindäm­mung der Corona-Pandemie betroffen waren. Sie stellten beim Land NRW einen Antrag auf Gewäh­rung einer Sofort­hilfe. Mit Bewil­li­gungs­be­scheiden vom jeweils selben Tag wurden ihnen Sofort­hilfen in Höhe von jeweils 9.000 € als einma­lige Pauschale bewil­ligt und ausge­zahlt. 

Nachdem die Kläger (bezogen auf den dreimo­na­tigen Bewil­li­gungs­zeit­raum März bis Mai 2020 bzw. April bis Juni 2020 je nach Zeitpunkt der Antrag­stel­lung) Einnahmen und Ausgaben rückge­meldet hatten, ergingen automa­ti­siert Schluss­be­scheide. Aus dem elektro­ni­schen Rückmel­de­for­mular wurde ein errech­neter "Liqui­di­täts­eng­pass" festge­stellt und die Diffe­renz zum ausge­zahlten Pauschal­be­trag zurück­ge­for­dert. Das Verwal­tungs­ge­richt Düssel­dorf hat diese Schluss­be­scheide aufge­hoben.

Das OVG hat zur Begrün­dung im Wesent­li­chen ausge­führt: Die Schluss­be­scheide sind rechts­widrig und aufzu­heben, weil das Land die bindenden Vorgaben der Bewil­li­gungs­be­scheide nicht beachtet hat. Die Sofort­hilfe diente ausschließ­lich zur Milde­rung pande­mie­be­dingter finan­zi­eller Notlagen, insbe­son­dere zur Überbrü­ckung von Liqui­di­täts­eng­pässen. Das später vom Land gefor­derte Rückmel­de­ver­fahren findet in den Bewil­li­gungs­be­scheiden keine Grund­lage. Die Angaben, die von den Zuwen­dungs­emp­fän­gern verlangt wurden, waren ungeeignet, um zu bestimmen, ob die Förder­summe zweck­ent­spre­chend verwendet wurde. Die Schluss­be­scheide sind rechts­widrig, weil sie ohne eine hierfür erfor­der­liche Rechts­grund­lage erlassen worden sind.

Fazit: Das Land NRW bleibt jedoch berech­tigt, die Sofort­hilfe, die den Empfän­gern zusteht, in Form von neu zu erlas­senden "Schluss­be­scheiden" endgültig festzu­setzen. Überzahlte Beträge können dann zurück­ge­for­dert werden. Die Corona-Sofort­hilfe wurde aus Billig­keits­gründen als einma­lige Pauschale bewil­ligt. Trotz missver­ständ­li­cher Formu­lie­rungen in den Bewil­li­gungs­be­scheiden stand die Bewil­li­gung von Anfang an zumin­dest unter dem Vorbe­halt, ob und in welchem Umfang die bewil­ligten Finanz­mittel für den ausschließ­li­chen Zuwen­dungs­zweck benötigt würden. Den Empfän­gern der Bescheide musste klar sein, dass die Sofort­hilfe 

  • nur zur Kompen­sa­tion der unmit­telbar durch die Corona-Pandemie ausge­lösten wirtschaft­li­chen Engpässe genutzt werden durfte,
  • entspre­chende Mittel­ver­wen­dungen nachzu­weisen und
  • bei Einzel­fall­prü­fungen zu belegen sind sowie
  • nicht zweck­ent­spre­chend benötigte Mittel nachträg­lich zu ermit­teln und zurück­zu­zahlen waren.

Den Bewil­li­gungs­be­scheiden lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass die Berech­nungs­grund­lagen für die Rückzah­lung unter dem Vorbe­halt einer noch zu entwi­ckelnden Verwal­tungs­praxis stehen sollten. Zuwen­dungs­emp­fänger konnten daher von einem Liqui­di­täts­eng­pass ausgehen, sobald sie bis zum Ablauf bestehender Zahlungs­fristen neben den verblie­benen laufenden Überschüssen keine ausrei­chenden eigenen Einnahmen erzielen konnten. Sofern das Existenz­mi­nimum nicht durch Sozial­leis­tungen abgedeckt worden war, durften bis zum 1.4.2020, 13:30 Uhr, bewil­ligte Mittel auch dann einge­setzt werden, wenn die Umsätze des geför­derten Betriebs nicht einmal mehr ausreichten, um dieses Existenz­mi­nimum finan­zieren zu können. Entge­gen­ste­hende Klarstel­lungen sind am 1.4.2020 (13:30 Uhr) außer Kraft gesetzt worden. Für spätere Bewil­li­gungen war überein­stim­mend klarge­stellt, dass der Lebens­un­ter­halt einschließ­lich Ernäh­rung, Kleidung, Hausrat etc. sowie die Kosten für Unter­kunft und Heizung nicht durch die Sofort­hilfe, sondern durch Grund­si­che­rungs­leis­tungen nach dem SGB II abgesi­chert werden sollten.

Das Gericht hat die Revision in allen drei Fällen nicht zugelassen. Auf die weitere Entwick­lung (auch in anderen Bundes­län­dern) darf man gespannt sein.

Quelle: Sonstige | Presse­mit­tei­lung | OVG NRW | 20-03-2023