Leistungen aus einem Promo­ti­ons­sti­pen­dium können der Einkom­men­steuer unter­liegen, wenn der Stipen­diat eine wirtschaft­liche Gegen­leis­tung zu erbringen hat und keine Steuer­be­frei­ungs­vor­schrift eingreift.

Praxis-Beispiel:
Die Klägerin promo­vierte an einer Univer­sität. Zur Förde­rung von akade­mi­schen Nachwuchs­kräften wurde Sie aus den Mitteln des Europäi­schen Sozial­fonds (ESF) mit monat­lich 800 € unter­stützt. Entspre­chend den Verga­be­be­din­gungen betei­ligte sich ein privat­wirt­schaft­li­ches Unter­nehmen in gleicher Höhe an der Finan­zie­rung des Promo­ti­ons­vor­ha­bens und zahlte der Klägerin somit ebenfalls 800 € im Monat. Die Klägerin war verpflichtet, ihre Arbeits­kraft ausschließ­lich der Promo­tion zu widmen und hierüber Nachweise zu erbringen. Zudem unterlag sie hinsicht­lich der Ergeb­nisse ihres Promo­ti­ons­pro­jekts einer fünfjäh­rigen Ausübungs- und Verwer­tungs­pflicht. Das Finanzamt besteu­erte den aus Mitteln des ESF gezahlten Teil des Stipen­diums nicht. Die Zuwen­dungen, die das privat­wirt­schaft­liche Unter­nehmen zahlte, sah das Finanzamt als steuer­bare und steuer­pflich­tige sonstige Einkünfte an.

Der BFH hob die Entschei­dung des Finanz­ge­richts auf, weil die Feststel­lungen des Finanz­ge­richts nicht ausreichten, um abschlie­ßend darüber zu entscheiden, ob die gesamten (mitein­ander verknüpften) Leistungen Einkünfte aus wieder­keh­renden Bezügen sein können. Andere Einkunfts­arten scheiden in diesem Zusam­men­hang aus. Einkünfte aus wieder­keh­renden Bezügen setzten jedoch voraus, dass die Klägerin für die Gewäh­rung der Leistungen aus dem Stipen­dium eine (wie auch immer geartete) wirtschaft­liche Gegen­leis­tung hätte erbringen müssen.

Der BFH stellt klar, dass die Arbeits­zeit, die die Klägerin für die Promo­tion aufge­wandt hat, keine relevante Gegen­leis­tung gewesen ist. Das Finanz­ge­richt hat daher festzu­stellen, ob die im Zusam­men­hang mit der Förde­rung von Promo­tionen jeden­falls nicht allge­mein­üb­liche Pflicht, die wissen­schaft­li­chen Erkennt­nisse inner­halb einer bestimmten Frist ausschließ­lich im Geber-Bundes­land beruf­lich zu verwerten, als 

  • wirtschaft­liche Gegen­leis­tung oder
  • als bloße Erwar­tungs­hal­tung 

einzu­stufen ist. Davon hängt ab, ob insoweit eine Steuer­pflicht eintritt.

Eine Steuer­be­freiung gemäß § 3 Nr. 44 EStG kann nur hinsicht­lich des Teils des Stipen­diums gewährt werden, der aus dem ESF finan­ziert wird. Soweit der Klägerin in gleicher Höhe von einem privat­wirt­schaft­li­chen Unter­nehmen Zahlungen zugeflossen sind, handele es sich nicht um öffent­liche Mittel im Sinne dieser Vorschrift.

Quelle: BFH | Urteil | X R 21/20 | 27-09-2022