Alle Leistungen, die ein Schuldner für die Überlas­sung (Nutzung) von Kapital zu erbringen hat, sind ertrag­steu­er­lich als Schuld­zinsen zu beurteilen, die bei der Ermitt­lung von Über- und Unter­ent­nahmen zu berück­sich­tigen sind (§ 4 Abs. 4a Satz 1 EStG). Der Vertrag über einen Avalkredit ist, ebenso wie die klassi­sche Bürgschaft, kein Darlehen in diesem Sinne.

Praxis-Beispiel:
Der Kläger führt als Einzel­un­ter­nehmer eine Tankstelle, die er von einem Mineral­öl­un­ter­nehmen gepachtet hatte. Das Mineral­öl­un­ter­nehmen verpflich­tete den Kläger, zur Siche­rung aller Forde­rungen aus der Geschäfts­ver­bin­dung und der Bereit­stel­lung des Agentur­be­stands an Waren eine Bankbürg­schaft zu stellen. Der Kläger schloss aufgrund dessen mit einer Bank einen "Kredit­ver­trag für Avalkre­dite" ab. Für den Avalkredit hatte der Kläger Provi­sionen und Konto­füh­rungs­ge­bühren zu zahlen, ebenso für die Ausfall­bürg­schaft. Das Finanzamt berück­sich­tigte die gewinn­min­dernden Aufwen­dungen bei der Ermitt­lung der Über- und Unter­ent­nahmen, sodass der Abzug der Schuld­zinsen dadurch einge­schränkt wurde. Der Kläger machte geltend, dass es sich bei den Provi­sionen nicht um Schuld­zinsen gehan­delt habe, weil sie nicht für die zeitlich begrenzte Überlas­sung von Kapital gezahlt worden seien. 

Der BFH hat entschieden, dass der ertrags­steu­er­recht­liche Begriff „Schuld­zinsen“ nicht auf Avalpro­vi­sionen zutrifft (entgegen der Auffas­sung des Finanz­amts). Der Avalgeber stellt (anders als ein Darle­hens­geber) kein Kapital zur Verfü­gung. Vielmehr ist es so, dass es sich um eine Bankbürg­schaft handelt, die ledig­lich die Forde­rung des Gläubi­gers absichert. Ein Liqui­di­täts­ein­satz (also die Gewäh­rung eines Darle­hens) wird erst dann geschuldet, wenn die Bank vom Gläubiger des Schuld­ners in Anspruch genommen wird. 

Fazit: Der Vertrag über einen Avalkredit ist genauso zu behan­deln, wie eine klassi­sche Bürgschaft. Die Provi­sionen und Konto­füh­rungs­ge­bühren sind somit nicht zur Nutzung von überlas­senem Kapital gezahlt worden.

Quelle: BFH | Urteil | X R 15/21 | 30-08-2022