Aufwen­dungen für den Abriss eines formalde­hyd­be­las­teten Einfa­mi­li­en­hauses sowie für dessen späteren Neubau sind nicht als außer­ge­wöhn­liche Belas­tung abzugs­fähig, wenn der Abriss des Gebäudes und der Neubau nicht notwendig waren, um die Formalde­hyde­mis­sion zu besei­tigen.

Praxis-Beispiel:
Der Kläger ließ das Schlaf­zimmer seines Wohnge­bäudes baubio­lo­gisch von einem Diplom-Ingenieur (Baubio­logen) unter­su­chen. Dieser führte in seinem Kurzbe­richt aus, dass die Raumluft­mes­sung auf Formaldehyd und weitere Aldehyde aus baubio­lo­gi­scher Vorsor­ge­sicht den Nachweis einer hohen Formalde­hyd­kon­zen­tra­tion (0,112 ppm) ergab. Die Raumluft­mes­sung auf Chlor­an­i­sole ergab den Nachweis einer leicht über der in der Fachli­te­ratur veröf­fent­lichten Geruchs­schwelle liegenden Konzen­tra­tion an Trichlor­an­isol, die er auch beim Ortstermin als leichte Geruchs­auf­fäl­lig­keit in Teilbe­rei­chen wahrge­nommen habe. Der Gutachter ging jedoch nicht von einem Gesund­heits­ri­siko aus. Außerdem könnten als Reduzie­rungs­maß­nahmen die Abdich­tungen von Öffnungen und Fugen in den Wänden, an den Bauteil­an­schlüssen und der Wand- und Decken­ober­flä­chen in Frage kommen, ebenso wie die Instal­la­tion von dezen­tralen Lüftungs­ge­räten oder einer Lüftungs­an­lage. 

Der Kläger beantragte den Abbruch des bestehenden Wohnge­bäudes sowie den Neubau eines Einfa­mi­li­en­hauses mit Garage. Hierfür entstanden ihm Aufwen­dungen in Höhe von 259.399,96 €, die er in seiner Steuer­erklä­rung als außer­ge­wöhn­liche Belas­tungen geltend machte. Das Finanzamt lehnte eine Berück­sich­ti­gung ab.

Die Einkom­men­steuer ermäßigt sich auf Antrag, wenn einem Steuer­pflich­tigen zwangs­läufig größere Aufwen­dungen als der überwie­genden Mehrzahl der Steuer­pflich­tigen gleicher Einkom­mens­ver­hält­nisse, gleicher Vermö­gens­ver­hält­nisse und gleichen Famili­en­stands erwachsen (= außer­ge­wöhn­liche Belas­tungen gemäß § 33 EStG). Zwangs­läufig erwachsen dem Steuer­pflich­tigen Aufwen­dungen dann, wenn er sich ihnen aus recht­li­chen, tatsäch­li­chen oder sittli­chen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwen­dungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemes­senen Betrag nicht übersteigen.

Die Aufwen­dungen sind aller­dings nur dann abziehbar, wenn den Grund­stücks­ei­gen­tümer kein Verschulden an der Belas­tung trifft, die Belas­tung für ihn zum Zeitpunkt des Grund­stücks­er­werbs nicht erkennbar war, reali­sier­bare Ersatz­an­sprüche gegen Dritte nicht gegeben sind und es sich nicht um übliche Instand­set­zungs- und Moder­ni­sie­rungs­maß­nahmen oder dem gewöhn­li­chen Wertver­zehr geschul­dete Baumaß­nahmen handelt. Überdies dürfen die strei­tigen Aufwen­dungen nicht der Besei­ti­gung von Baumän­geln dienen, denn Baumängel sind keines­wegs unüblich und nicht mit ungewöhn­li­chen Ereig­nissen vergleichbar. 

War der Einsatz von mittler­weile verbo­tenen schad­stoff­hal­tigen Materia­lien zum Zeitpunkt der Errich­tung des Gebäudes aller­dings (wie hier) erlaubt, liegt jeden­falls für das Jahr der Errich­tung des Gebäudes kein Baumangel vor. Nichts anderes kann gelten, wenn ein solches Gebäude nach einem Verbot der Materia­lien veräu­ßert wurde. Denn das Rechts­ge­schäft der Veräu­ße­rung hat die tatsäch­liche Beschaf­fen­heit des Gebäudes nicht verän­dert.

Aber! Die vom Steuer­pflich­tigen getrof­fenen Maßnahmen müssen notwendig sein, um die Formalde­hyde­mis­sion zu besei­tigen. In diesem Rahmen ist zu prüfen, ob die Gesund­heits­ge­fahr durch Versie­ge­lung, Abdich­tung, Nachbe­schich­tung, Lüftungs­maß­nahmen oder nur durch einen vollstän­digen Abriss und Neubau besei­tigt werden kann. Aufwen­dungen können nämlich nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG nur steuer­min­dernd berück­sich­tigt werden, soweit sie nach den Umständen des Einzel­falles „notwendig“ sind und einen „angemes­senen Betrag“ nicht übersteigen. Da diese Maßstäbe nicht erfüllt sind, lehnt das Finanz­ge­richt die Berück­sich­ti­gung der geltend gemachte Aufwen­dungen als außer­ge­wöhn­liche Belas­tung ab.

Quelle: Finanz­ge­richte | Urteil | FG Baden-Württem­berg, 1 K 1855/21 | 31-01-2024