Das Finanz­ge­richt hat sich mit der Frage befasst, ob und inwie­weit der Begriff der "ersten Tätig­keits­stätte" und die damit im Zusam­men­hang stehenden Regelungen (§ 9 Abs. 4 Satz 2 ff. EStG) für die Ausle­gung des Begriffs der ersten Betriebs­stätte in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG gelten. 

Praxis-Beispiel:
Der Steuer­pflich­tige war als selbstän­diger IT-Berater tätig. Er war über längere Zeit bei einem Kunden tätig. Seinen Arbeits­platz beim Kunden betrach­tete er nicht als seine Betriebs­stätte. Das Finanzamt hingegen nahm an, dass er dort eine weitere Betriebs­stätte begründet hat. Dadurch wurden seine Reise­kosten und Verpfle­gungs­mehr­auf­wen­dungen nur teilweise abziehbar, weil das Finanzamt die Entfer­nungs­pau­schale und die Regeln für eine doppelte Haushalts­füh­rung angewendet hat.

Das Finanz­ge­richt entschied, dass die Defini­tion der "Betriebs­stätte" nicht durch die Regelungen zur "ersten Tätig­keits­stätte" beein­flusst wird. Die Begriffe "erste Tätig­keits­stätte" und "erste Betriebs­stätte" seien unter­schied­lich auszu­legen. Im Kern geht es um die Frage, ob die Defini­tion der "ersten Tätig­keits­stätte" auch auf die Ausle­gung des Begriffs "Betriebs­stätte" im Sinne von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG anwendbar ist.

Das Finanz­ge­richt wies die Argumente des Steuer­pflich­tigen zurück, der geltend machte, dass sein Arbeits­platz beim Kunden nur vorüber­ge­hend war und dass sein häusli­ches Arbeits­zimmer am Wohnort als seine Betriebs­stätte betrachtet werden müsse. Das Gericht betonte, dass der Steuer­pflich­tige in den relevanten Jahren regel­mäßig und dauer­haft am Ort seines Auftrag­ge­bers arbei­tete, was ausreiche, um diesen Standort als seine Betriebs­stätte anzusehen. Die Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebs­stätte sowie die Verpfle­gungs­mehr­auf­wen­dungen wurden daher auf die gesetz­lich festge­legten Beträge begrenzt.

Revision wurde einge­legt (Az. des BFH: VIII R 15/24). Das bedeutet, dass der BFH nunmehr klären muss, welche Bedeu­tung der Begriff der "ersten Tätig­keits­stätte" und die damit in Zusam­men­hang stehenden Regelungen (§ 9 Abs. 4 Satz 2 ff. EStG) für die Ausle­gung des Begriffs der Betriebs­stätte (in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG) hat.

Fazit: In vergleich­baren Fällen, in denen das Finanzamt Reise­kosten und Verpfle­gungs­mehr­auf­wen­dungen nur teilweise anerkennt, weil es die Entfer­nungs­pau­schale und die Regeln für eine doppelte Haushalts­füh­rung anwendet, sollte Einspruch einge­legt und eine Ausset­zung des Einspruch-Verfah­rens beantragt werden.

Quelle:Finanzgerichte | Entschei­dung | FG Rhein­land-Pfalz, 1 K 1219/21 | 18-06-2024