Der Bundes­fi­nanzhof hat entschieden, dass der ärztliche Notfall­dienst (z. B. an Wochen­enden) auch dann von der Umsatz­steuer befreit ist, wenn ein Arzt ihn vertre­tungs­weise für einen anderen Arzt (gegen Entgelt) übernimmt.

Praxis-Beispiel:
Der Kläger ist selbstän­diger Arzt, der mit der zustän­digen Kassen­ärzt­li­chen Verei­ni­gung Westfalen-Lippe (KV) eine Verein­ba­rung über die freiwil­lige Teilnahme am ärztli­chen Notfall­dienst abgeschlossen hat. Er übernahm in den Jahren 2012 bis 2016 für andere, zum Notfall­dienst einge­teilte Ärzte als Vertreter deren „Sitz- und Fahrdienste“ in eigener Verant­wor­tung. Gegen­über den vertre­tenen Ärzten rechnete der Kläger einen Stunden­lohn zwischen 20,00 € und 40,00 € ab. Die erbrachten Notfall­dienste hielt der Kläger für umsatz­steu­er­frei.

Das Finanzamt und das Finanz­ge­richt teilten diese Einschät­zung nicht. Sie waren der Ansicht, der Kläger erbringe gegen­über dem Arzt, dessen Notfall­dienst er übernehme, eine sonstige Leistung gegen Entgelt, die kein thera­peu­ti­sches Ziel habe. Die Vertre­tung des Arztes beim Notfall­dienst sei daher umsatz­steu­er­pflichtig.

Im Gegen­satz dazu gewährte der BFH die Umsatz­steu­er­be­freiung. Auch die vertre­tungs­weise Übernahme ärztli­cher Notfall­dienste gegen Entgelt durch einen anderen Arzt ist als Heilbe­hand­lung im Sinne des § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG umsatz­steu­er­frei.

Der BFH begründet dieses Ergebnis damit, dass es zwar zutrifft, dass sich die vom Kläger vertre­tenen Ärzte durch die Vertre­tung beim Notfall­dienst quasi Freizeit „erkauft“ haben. Aller­dings habe der Kläger die zum Notfall­dienst einge­teilten Ärzte nur dadurch von der Übernahme des Dienstes freistellen können, dass er selbst den ärztli­chen Notfall­dienst erbracht habe. Der ärztliche Notfall­dienst ist eine ärztliche Heilbe­hand­lung. Er dient dazu, in Notfällen ärztliche Leistungen in Zeiten zu erbringen, in denen die reguläre haus- oder fachärzt­liche Versor­gung nicht statt­findet. Er gewähr­leiste damit die ärztliche Versor­gung von Notfall­pa­ti­enten im jewei­ligen Einsatz­ge­biet, was eine umsatz­steu­er­freie Tätig­keit ist. Auf den Umfang der tatsäch­li­chen Inanspruch­nahme des Notfall­dienstes durch die Patienten kommt es nicht an.

Diese Beurtei­lung gilt nach Auffas­sung des BFH für die Notfall­dienste eines Vertre­ters in gleicher Weise wie für die Notfall­dienste der von der Kassen­ärzt­li­chen Verei­ni­gung dafür einge­teilten Ärzte.

Der BFH überträgt damit seine Recht­spre­chung zu Bereit­schafts­diensten bei Großver­an­stal­tungen (BFH-Urteil vom 2.8.2018 - V R 37/17) auf den „Sitz- und Fahrdienst“. Anderer­seits stellt er auch insoweit die Leistungs­er­brin­gung durch einen fachlich quali­fi­zierten Subun­ter­nehmer des Arztes der Leistungs­er­brin­gung durch den Arzt selbst gleich. Die tätig­keits­be­zo­gene Betrach­tungs­weise des BFH gewähr­leistet zudem die möglichst gleich­mä­ßige Umsatz­be­steue­rung ärztli­cher Notfall­dienste in ganz Deutsch­land, da es dadurch auf die erheb­li­chen regio­nalen Unter­schiede in der Organi­sa­tion der Vertre­tung bei Notfall­diensten durch die jeweils zustän­dige kassen­ärzt­liche Verei­ni­gung nicht ankommt.

Quelle:BFH | Urteil | XI R 24/23 | 13-05-2025