Das Finanz­ge­richt Münster hat entschieden, dass ein finan­zi­eller Schaden, der durch eine Betrugs­hand­lung wie einen sogenannten „Schock­anruf“ entstanden ist, nicht als außer­ge­wöhn­liche Belas­tung im Sinne des § 33 EStG des deutschen Steuer­rechts berück­sich­tigt werden kann. 

Praxis-Beispiel:
Die 77 Jahre alte Klägerin erhielt einen Anruf auf ihrem Festnetz­te­lefon. Der Anrufer gab sich als Rechts­an­walt aus und gab an, dass die Tochter der Klägerin einen tödli­chen Verkehrs­un­fall verur­sacht haben soll. Deshalb solle die Tochter in Unter­su­chungs­haft, was durch Zahlung einer Kaution von 50.000 € an die Gerichts­kasse vermieden werden könne. Der Anrufer bot an, einen Boten zu schicken, der das Geld bei ihr zu Hause abholen könne. Die Klägerin fuhr daraufhin mit dem Taxi zur Bank und hob dort 50.000 € ab. Diesen Betrag übergab sie später dem Boten. Da sie Opfer eines Betrugs geworden ist, machte Sie den Schaden von 50.000 € in ihrer Steuer­erklä­rung als außer­ge­wöhn­liche Belas­tung geltend. Das Finanzamt lehnte dies ab.

Das Finanz­ge­richt lehnte eine Berück­sich­ti­gung ebenfalls ab. Nach Ansicht des Gerichts gehört das Risiko, Opfer einer solchen Vermö­gens­straftat zu werden, zum allge­meinen Lebens­ri­siko, das nicht auf die Steuer­zah­l­er­ge­mein­schaft abgewälzt werden darf. Obwohl die Situa­tion der Klägerin, die durch Täuschung und Manipu­la­tion ihr Geld an Betrüger übergeben hat, beson­ders tragisch ist, bleibt die Grund­lage des Gesetzes, dass nur außer­ge­wöhn­liche Schadens­fälle, die über das alltags­ty­pi­sche Risiko hinaus­gehen, steuer­lich berück­sich­tigt werden können.

Das Gericht kommt außerdem zu dem Schluss, dass für die Klägerin objek­tive und zumut­bare Alter­na­tiven bestanden, um die vermeint­liche Gefahr für ihre Tochter zu überprüfen, wie beispiels­weise die Kontakt­auf­nahme mit der realen Polizei, ihrer Tochter oder einem Anwalt. Diese Möglich­keiten hätten den Betrug verhin­dern können, auch wenn sich die Klägerin subjektiv unter Druck gesetzt fühlte. Dass die Klägerin eine beträcht­liche Summe Bargeld zur Verfü­gung hatte, die nicht essen­ziell für ihren Lebens­un­ter­halt war, trug ebenfalls zur Einschät­zung bei, dass hier keine Solida­rität der Steuer­zahler erfor­der­lich ist.

Mit diesem Urteil folgt das Gericht einer strikten Ausle­gung des Begriffs „außer­ge­wöhn­liche Belas­tungen“ und bestä­tigt erneut, dass finan­zi­elle Verluste durch Betrug nicht als abzieh­bare Belas­tungen anerkannt werden können, es sei denn, es liegen äußerst außer­ge­wöhn­liche und spezi­fi­sche Umstände vor. Der Fall wurde als revisi­ons­würdig einge­stuft, da die steuer­liche Behand­lung von „Schock­an­rufen“ als recht­li­ches Problem bislang noch nicht abschlie­ßend von den höchsten Gerichts­in­stanzen geklärt wurde.

Quelle:Finanzgerichte | Urteil | FG Münster, 1 K 360/25 E | 01-09-2025